Wie Familien, Kitas und Schulen trans* Kinder unterstützen
Die Norm, wonach jeder Mensch entweder eindeutig männlich oder eindeutig weiblich sein muss, findet sich auf allen Ebenen der Gesellschaft. Kinder, die sich nicht mit dem Geschlecht identifizieren können, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde, leiden darunter auf besondere Weise. Marta Ordóñez Castellnou, Erzieherin und Mutter einer trans*1 Tochter, sucht nach Wegen aus dem binären System.
Geschlechtsidentität, sexuelle Orientierung, Geschlechtsausdruck ... Was wissen wir über diese Themen? Wie gehen Kita und Schule mit diesen Konzepten und den dahinterstehenden Erkenntnissen um? Allzu oft sind sie noch unbekannt und werden miteinander verwechselt. Wenn es darüber hinaus noch um junge Kinder geht, können Skepsis und Verwirrung überwältigend sein.
Geschlecht geht unter die Haut
Sobald ein Baby geboren wird bzw. schon lange vorher, nämlich sobald sein vermeintliches Geschlecht feststeht, wird dieser kleine Mensch mit einer Reihe geschlechtsspezifischer Erwartungen belegt. Das beginnt bei den Menschen, die das Baby erwarten, und betrifft darüber hinaus die gesamte Gesellschaft, die das Baby entlang der Koordinaten des cis-heteropatriarchalen Systems klassifiziert. Die Geschlechtszuweisung, die allein auf der Form der Genitalien beruht, teilt alle Menschen in zwei Gruppen ein und schließt alle Identitäten und Realitäten aus, die vielfältiger sind.
Die Art, wie wir uns dem Kind nähern, wie wir mit ihm umgehen, die Worte und der Tonfall, die wir dabei benutzen, vermitteln ihm Informationen darüber, was von ihm erwartet wird. So geben wir von Generation zu Generation weiter, was es bedeutet, ein Junge oder ein Mädchen zu sein. Auf diese Weise halten wir die Geschlechterbinarität aufrecht, also das Modell, das die Existenz von nur zwei Ge- schlechtern festschreibt: männlich und weiblich.
Die Binarität ist also unter unsere Haut gepflanzt, wir haben sie gründlich verin- nerlicht. Es ist sehr schwierig, mit ihr zu brechen. Das zwingt uns dazu, scheinbar ganz Einfaches und Feststehendes zu überdenken und zu überprüfen. Mit der Binarität zu brechen ist beängstigend, weil es bedeutet, mit dem Gesellschaftssystem zu brechen, in dem wir leben. Nicht jeder ist dazu bereit.
Wenn also jemand vor uns steht und die Zweiheit von Mann und Frau, in der wir so tief verwurzelt sind, in Frage stellt, wird unser Weltbild erschüttert. Wenn es sich bei dieser Person auch noch um ein Kind handelt, verstärken sich Zweifel und Unglaube. Es besteht die Gefahr, dass wir aus Angst und Unwissenheit und auf der Grundlage von Fehlinformationen re- agieren. Umso wichtiger ist es, dass pädagogische Fachkräfte in diesen Fragen gut geschult und vor allem bereit sind, die Prozesse der Kinder zu verstehen und liebevoll zu begleiten.
Wer bin ich?
Die Geschlechtsidentität entwickelt sich in der Regel in den ersten Lebensjahren. Kinder im Alter von etwa zwei Jahren oder sogar noch früher beginnen, sich ihrer selbst bewusst zu werden. Sie sind in der Lage, Adjektive zu verwenden, um sich zu definieren; das Sprechen von sich selbst in der dritten Person verschwindet. Nach und nach erscheint das Ich. Kinder können klare Ich-Aussagen treffen, etwa »Ich bin müde« oder »Ich bin schon groß.« Auch Sätze wie »Ich bin ein Mädchen« werden genutzt, um sich selbst zu beschreiben.
Marta Ordóñez Castellnou ist Kita-Erzieherin und Mutter eines trans* Mädchens. Sie engagiert sich als Vorstandsmitglied bei Chrysallis, einem Verein für die Familien von trans* Kindern und Jugendlichen in Spanien.
Info
www.chrysallis.org
1 Der Stern am Wort trans* soll darauf hinweisen, dass es vielfältige Transidentitäten gibt – auch jenseits von Transmännlichkeit und Transweiblichkeit.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe KINDER in Europa heute 04/22 lesen.