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Durch Konfliktkultur zu Wohlbefinden
Wenn Betty Grote zurückblickt, dann nur kurz, weil heute vieles besser ist. Wohin sie – und damit auch ihr Team – eine Weiterbildung zur Mediatorin bei Hanna Röder und Anna Petersen von Team Tree gebracht hat und wohin die Reise noch gehen soll, beschreibt die Leitung des Familienzentrums St. Laurentius der Katholischen Kindertageseinrichtungen Östliches Ruhrgebiet gGmbH.
Ich erinnere mich noch genau an meine erste Teamsitzung als Leitung. Es ging hoch her. Die Planung unseres Sommerfestes stand an, und die Meinungen gingen weit auseinander. Unterschiedliche Bedürfnisse, verschiedene Ideen – ein echtes Spannungsfeld! Ich erinnere mich an den Moment, als ich besorgt dachte: Was, wenn das eskaliert? Wie kann ich eine Entscheidung treffen, die alle mittragen?
Rätsel über Rätsel
Die Stimmung im Team, das ich übernommen hatte, wirkte auf mich sehr angespannt. Die Mitarbeitenden waren unzufrieden und das Konfliktpotential war hoch. Es kam immer wieder zu kleineren Auseinandersetzungen. Ich beobachtete versteckte und offene Vorwürfe in Aussagen und dass häufiger übereinander statt miteinander gesprochen wurde. Es gab Gruppenbildungen im Team, und die Atmosphäre wurde zunehmend schlechter. Ich spürte Unsicherheiten und hatte das Gefühl, auf Eierschalen zu laufen. An einem Montag z.B. betrat ich die Einrichtung um 7.30 Uhr, und eine der Mitarbeitenden empfing mich aufgebracht im Flur: »Schon wieder hat der Spätdienst seine Aufgaben nicht erfüllt. Als ich heute Morgen in die Kita kam, lagen überall Spielzeuge in der Puppenecke, die Teppiche waren nicht gesaugt, und die Spülmaschine war auch nicht ausgeräumt. Mir reicht es! Ich bin doch hier nicht für alles alleine verantwortlich!« In meinem Kopf rasten die Gedanken. Ok! Sie scheint sehr wütend zu sein. Wie reagiere ich jetzt, um die Situation nicht weiter hochzuschaukeln? Erst mal atmen ... Ich sage der Mitarbeiterin, dass ich gleich auf sie zukommen werde, aber erst mal meine Tasche und Jacke ablegen will. Damit hoffte ich, mir Zeit zu verschaffen, während die Gedanken weiterrasten. Wie schafft man es, eine aufgebrachte Mitarbeiterin zu besänftigen und zugleich darüber nachzudenken, wer eigentlich am Freitagnachmittag Spätdienst hatte? Den Ärger der Kollegin hatte sie ganz offensichtlich bereits abbekommen: »Wir hatten Freitagnachmittag 20 Kinder in der Kita! Das letzte Kind wurde viel zu spät abgeholt, und ich musste schon wieder länger arbeiten! Da räum’ ich doch nicht auch noch die Spülmaschine aus? Und übrigens: Die Puppenecke war sehr wohl aufgeräumt!«
Tausendmal probiert
Dabei hatten wir doch schon so viel probiert. Wir hatten uns bereits darüber ausgetauscht, wie wir uns eine optimale Teamarbeit vorstellen, und stellten fest, dass wir mit Aspekten wie Kommunikation auf Augenhöhe, gute Zusammenarbeit Hand in Hand, Offenheit und Verlässlichkeit, verbindliche Absprachen und Transparenz viele gemeinsame Ansprüche hinsichtlich des Umgangs miteinander hatten. Beim Austausch darüber, wie wir unsere Zusammenarbeit tatsächlich erleben, wurde deutlich, dass – zumindest in der aktuellen Situation – genau das Gegenteil der Fall war. Um neue Kommunikationsregeln zu erarbeiten, stellten wir uns, begleitet von einer externen Fachberatung, grundlegenden Fragen, wie uns was im Alltag wichtig ist. Vor allem auch, wie wir in herausfordernden Situationen miteinander umgehen wollen und was sich jede:r von uns wünscht. Die Feedbackkultur, die wir uns daraufhin erarbeiteten, bestand aus einer langen Liste zur Vermeidung problemorientierter Frageformen wie: Generell konstruktive Kritik, Ich- statt Du-Botschaften, und überhaupt sollte jede:r selbst darüber bestimmen, wie man sich Rückmeldungen wünscht und wie diese formuliert sein sollen, um das Gesagte umsetzen zu können. Theoretisch waren das alles gute Ideen, doch gerade in besagten herausfordernden Zeiten wurden die Vereinbarungen regelmäßig außer Acht gelassen. Spätestens an jenem Montagmorgen kam ich zu dem Schluss, dass wir uns im Kreis drehen und Theorie und Praxis im Alltag nicht dasselbe sind.
Der berühmte Tropfen
Im Eingangsbereich waren inzwischen die ersten Eltern und Kinder angekommen. Dies machte den Zeitpunkt absolut unpassend für eine Fortführung des Konfliktgesprächs, und wenn ich ehrlich bin, kam mir das gelegen. Ich fühlte mich überfordert und wusste, dass das Gespräch nicht einfach würde. Ich wusste aber auch, dass wir es zeitnah führen müssen, um die Gemüter nicht weiter in Rage zu bringen. Ich sagte den Fachkräften, dass ich später in meinem Büro mit ihnen sprechen möchte und jede bis dahin ihren Aufgaben nachgehen soll. Als mir später beide ihre Sicht der Situation schilderten, entstand in mir der Eindruck, dass es bei diesem Konflikt nicht um die Spülmaschine oder überhaupt irgendwelche unerledigten Aufgaben ging. Er war nur der berühmte Tropfen, der ein Fass zum Überlaufen gebracht hatte. Herauszufinden, um welches Fass es eigentlich ging, gelang uns nicht. Es war schlicht unmöglich, ein konstruktives Gespräch zu führen. Die Mitarbeitenden machten sich gegenseitig Vorwürfe. Als ich nur noch Sätze wie »Aber immer muss ich …«, »Jedes Mal tust du …« oder »Aber du hast …« hörte, stoppte ich die beiden. Weil ich mir sicher war, dass ich allein keine Lösung finden würde, welche für beide Mitarbeiterinnen dauerhaft zufriedenstellend wäre, benannte ich meinen Eindruck, dass der vorliegende Konflikt eine weitreichendere Ursache hatte und wir diese gemeinsam im Team erarbeiten müssten. Darauf, die Frage, worum es eigentlich geht, in der nächsten Teamsitzung zu besprechen, konnten sie sich einlassen.
Betty Grote leitet das Familienzentrum St. Laurentius in Dortmund seit 2019. Ihre Erfahrungen als pädagogische Fachkraft, Mutter von zwei Kindern und Weiterbildungen wie die zur Mediatorin bei Hanna Röder und Anna Petersen von Team Tree haben ihren Blick auf Konflikte verändert und Bedürfnisse geschärft.
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