Vom Leben und Lernen in der sorbischen Minderheit
In Deutschland geboren und doch mit einer anderen Kultur und einer weiteren Sprache verbunden sind die Angehörigen der sorbischen Minderheit. An den Beitrag »Mittendrin besonders. Leben und Lernen in der dänischen Minder- heit« in Betrifft KINDER 09-10/2022 anschließend, sprach unsere Redakteurin Jutta Gruber mit Barbara Krahl und Romy Schmidtke. Barbara Krahl ist Leiterin und Erzieherin in der Witaj-Kindertagesstätte »Kwódnemu mužej« (Zum Wassermann) in Trägerschaft des Sorbischen Schulvereins e.V. im nördlich von Bautzen gelegenen Malschwitz. Romy Schmidtkes Töchter lernten dort mehr als Sorbisch.
Ihre Kita ist eine sorbische Kita im sorbischen Siedlungsgebiet, der Lausitz. Gehören Sie selbst der sorbischen Minderheit an?
Ich bin deutsche Staatsbürgerin mit sor- bischer Nationalität und lebe in der sorbisch-deutschen Welt. Das Sorbische ist meine Muttersprache. Sie hörte ich schon, als ich noch bei meiner Mutter im Bauch war. In meiner Familie wurde immer schon sorbisch gesprochen und die sorbische Kultur gelebt, und in meine Kita gingen nur ganz wenige deutsche Kinder von Eltern, die sich z.B. wegen eines sorbischen Hintergrundes der F milie wünschten, dass sie die sorbische Sprache erlernten. Mit ihnen und unseren deutschen Nachbarskindern machte ich meine ersten Erfahrungen mit der deutschen Sprache. Wir sprachen dann so eine Art Mischung aus beiden Sprachen. In Wort und Schrift lernte ich Deutsch erst im Deutschunterricht an meiner sorbischen Grundschule.
Der Lebensraum der Sorben liegt in Brandenburg und Sachsen. Ist es seit der Wende leichter oder schwerer, Sorbin zu sein? Haben Sie schon einmal Diskriminierung erfahren?
Mit der Wende ist Vieles weggebrochen, ob Gutes oder Schlechtes, sei dahingestellt. In jedem Fall mussten wir uns erst mal neu finden und das, was schön und sinnvoll war, wieder neu schaffen. Ich denke da z.B. an unser Folklorefestival. Das war ein buntes Volksfest, zu dem alle vier Jahre für drei Tage Volkstanzgruppen und Chöre nationaler Minderheiten auch aus Rumänien, aus Tschechien, der Slowakei, Polen oder Kroatien zusammenkamen. Wir Sorb:innen haben ja auch viele Chöre und eigene Kompositionen. Solche Höhepunkte
brachen 1990 alle weg. Es brauchte einige Jahre, bis neue Strukturen solche Zusammenkommen wieder möglich machten. Das gemeinsame Singen, die Leichtigkeit und Beschwingtheit, die wir in den Tagen des Festivals erleben, sind einfach wunderschön. Das 14. Inter- nationale Folklorefestival mit bis zu 1.000 aktiven Teilnehmenden findet Anfang Juli 2023 statt. Diskriminierung habe ich persönlich nur einmal erfahren. Das war nach der Wende, als wir mit den Kitakindern den Weihnachts- markt eröffneten. Wie jedes Jahr san- gen wir dafür zwei sorbische und ein deutsches Weihnachtslied, als aus der Menge jemand rief: »Könnt ihr nicht nur deutsche Lieder singen?« In diesem Moment habe ich mich unwohl gefühlt. Solche Leute wird es wohl immer
und überall geben.
Barbara Krahl ist seit 2006 Leiterin der Witaj-Kindertagesstätte »Kwódnemu mužej« in Trägerschaft des Sorbischen Schulvereins e.V. An der Einrichtung schätzt sie das Prinzip der Immersion beim Erwerb der sorbischen Sprache und Kultur, die familiäre Atmosphäre und die gute Zusammenarbeit im Team. Aktuell betreuen fünf Erzieherinnen – vier Sorbinnen und eine Deutsche – 50 Kinder im Alter von 1 bis 10 Jahren.
Kontakt
kita.malschwitz@sorbischer-schulverein.de
Diesen Beitrag können Sie vollständig neben weiteren interessanten Beiträgen in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 01-02/2023 lesen.