Kulturelle Bildung: Draußen und nachhaltig – das geht! Teil 6
»LandverWALDung – Kinder pflanzen Bäume« ist ein Kultur- und Natur-Projekt nach dem Vorbild der »Sozialen Plastik« von Joseph Beuys. Johanna Pareigis erlebt im schleswig-holsteinischen Dänischenhagen, wie weitreichend Partizipation sein kann.
Ein Zeichner braucht Stifte und Papier. Die Zeichnung ist sein Kunstwerk. Eine Bildhauerin braucht Holz oder Metall oder andere Materialien, damit ihre Plastik entsteht. Ein Tänzer braucht für die Choreographie zum Klang der Musik »nur« seinen Körper. Was aber braucht an für eine »Soziale Plastik« – und was ist das überhaupt? Geprägt wurde der Begriff von einem der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts: Joseph Beuys, der in diesem Jahr seinen hundertsten Geburtstag gefeiert hätte. Sozialpolitisch engagiert, begnügte er sich nicht mit »L’art pour l’art« (Kunst der Kunst wegen), sondern griff mit teils provokanten Aktionen aktiv in gesellschaftliche Gestaltungs- und Entwicklungsprozesse ein. Damit wollte er zum einen unsere Vorstellung von Kunst und dem, was sie bewirken kann, erschüttern und zum anderen unsere Vorstellung von Gesellschaft revolutionieren1.
Eine Soziale Plastik – wie sein Kunstwerk »7000 Eichen. StadtverWALDung statt Stadtverwaltung«2 aus den 1980er- Jahren –, entsteht immer im Kontext gesellschaftlich relevanter Themen. Kinder wie Erwachsene werden zu gestaltenden KünstlerInnen und die gesamte reale Welt wird zur »guten Lernumgebung«. Ein solches Lernen in Gemeinschaft stärkt unsere zukunftsfähigen Kompetenzen in Teamwork und interdisziplinärem Denken sowie die Lösungsfindung auch bei Zielkonflikten. Je diverser die Zusammensetzung des Teams – in unserem Projekt Kinder und Erwachsene verschiedener Institutionen –, umso nachhaltiger das Lernen.
Mit Bäumen die Welt verbessern?
Gesellschaftliche Prozesse anzuschieben und unsere Kinder von Anfang an und bereits bei jedem Schritt der Planung zu beteiligen, ist mein dringlichstes Anliegen. Im Herbst 2019 verliebte ich mich in die Idee, mit Kindern und Jugendlichen – wie in Beuys’ Kunstwerk »7000 Eichen« – Bäume zu pflanzen, und initierte in Zusammenarbeit mit einer Grundschule, einer Gemeinschaftsschule, einem Kindergarten und dem Obstbaumexperten Christoph Dorn im schleswigholsteinischen Dänischenhagen das Projekt »LandverWALDung«3. Noch schlummerte unsere Soziale Skulptur verborgen in meinem Geist, doch dort sah ich schon alles vor mir und ich wusste: Die Menschen werden von meiner Idee begeistert sein! So, wie sich der Zeichner mit Bleistift und Papier, die Bildhauerin mit Holz oder Metall und der Tänzer mit seinem Körper befasst, fing ich – mit viel Elan und Anfängergeist – an, mich mit dem Material »Bäume« und dem Pflanzen von Bäumen vertraut zu machen. Einige Menschen hielten mich, vor allem zu Beginn des Projekts, für größenwahnsinnig. Doch die meisten zeigten sich begeistert. Sie sagten: »Weiter so, genau das braucht die Gesellschaft! « oder: »Das Ersehnen sich unsere Kinder: endlich konkret handeln zu dürfen!«
Von Größenwahn und konkretem Handeln
Meine ersten Fragen waren dieselben wie die der Kinder und Jugendlichen: Was kostet ein Baum und, wenn wir es Beuys gleichtun wollen: Wie viel kosten 7.000 Bäume? Was braucht ein Baum, damit er gut wachsen kann? Wo sollen die Bäume stehen? Aber auch: Dürfen die beteiligten Kinder und Jugendlichen bei all dem bestimmen? Unsere Internetrecherche ergab, dass ein kaum als Baum zu erkennendes Stöckchen mit wenigen Blättern dran 1,50 Euro kostet und wir somit für 7.000 Bäumchen mit 10.500 Euro rechnen müssen. Vom Förster Johann Böhling von der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (Schleswig- Holstein) bekamen wir die Information, dass ein Wald aus mindestens zehn bis vierzig Waldbäumen besteht und es nicht einfach sei, eine dafür notwendige Pflanzfläche von mindestens 2000 Quadratmetern zu finden und genehmigt zu bekommen.
Bei verschiedenen Institutionen beantragten wir Fördergelder und die älteren SchülerInnen wollten außerdem in einem Crowd-Funding Spenden sammeln, ein Wohltätigkeitskonzert geben, Baumärkte um Spenden bitten und Flyer gestalten, um weitere Öffentlichkeit zu erreichen. Die jüngeren Kinder waren bereit, uns beim Pflanzen der Bäume zu unterstützen. Die Kinder und Jugendlichen wollten möglichst schnell möglichst viele Bäume in die Erde bringen. Die Skizze der Sozialen Plastik in meinem Kopf begann sich zu konkretisieren. Doch dann kam die Corona-Pandemie. Weil wir weniger Fördergelder bekamen als erwartet und um den Hygieneregeln gerecht zu werden, waren wir froh, dass wir im August 2020 mit den Kindern der Grundschule starten konnten.
Johanna Pareigis, Dr. rer. nat., ist Biologin, Gärtnerin, Pädagogin, Coach, Autorin und zertifiziert als Kulturvermittlerin sowie als NUN-Bildungspartnerin für Bildung für Nachhaltige Entwicklung. 2018 hat sie »Die Bewegung LERNEN im Freien« ins Leben gerufen.
Kontakt
1 Vgl. Hasecke J. U. (2016): Soziale Plastik – Die Kunst der Allmende. Ein Essay zum 30. Todestag von Joseph Beuys. Selbstverlag, S. 57ff
2 Beuys schuf mit diesem Kunst-Projekt eine ebenso brillante wie umstrittene Soziale Plastik. In der Stadt Kassel begann er die ersten von 7.000 geplanten Stadtbäumen, meistens Eichen, zu pflanzen. Parallel dazu hatte er 7.000 Granitstelen vor dem Fridericianum, dem klassizistischen Hauptmuseumsgebäude der DOCUMENTA, abschütten lassen. Wurde ein Baum gepflanzt, wurde eine dieser Stelen zum Pflanzort gebracht und neben dem Baum platziert. Nicht alle begrüßten die Aktion. Stelen wurden mit rosa Farbe »umgestaltet« und die Bäume wurden kritisiert, u.a. weil sie Laub abwerfen und Parkplätze wegnehmen. Damit hatte Beuys sein Ziel erreicht: das Soziale wurde plastisch geformt und formte sich selbst weiter. www.7000eichen.de
3 »LandverWALDung – Kinder pflanzen Bäume« (2020) und »LandverWALDung II: Stark wie ein Baum – Kinder partizipieren« (2021) sind Projekte von »Schule trifft Kultur – Kultur trifft Schule«. Infos unter https://kulturellebildung-sh.de/projekte/projekte/135 (16.04.2021) Betrifft KINDER 05-06|2021
Bild 1-3 Johanna Pareigis
Den vollständigen Beitrag und weitere Artikel zum Thema können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 05-06/2021 lesen.