Jan sitzt in der Sandkiste. Mit zwei Schaufeln. In jeder Hand eine. Vor ihm liegen Förmchen. Es fällt ihm schwer, die Förmchen in die Hand zu nehmen, ohne eine der beiden Schaufeln fallen zu lassen. Sebastian kommt dazu. Ohne Schaufel. Er will mitspielen. Aber Jan mag keine von seinen Schaufeln abgeben. Er mag nicht teilen. Jetzt versucht Sebastian, ihm eine seiner Schaufeln aus der Hand zu reißen. Jan schreit ...
Als Student für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen besuchte ich – wir waren in unserer Veranstaltungs- und Themenwahl damals noch sehr frei – regelmäßig die Vorlesung eines älteren Philosophiedozenten. Einer seiner Sätze ist auch nach vierzig Jahren noch im Gedächtnis geblieben. Der Satz lautete in etwa so: »Wissen Sie, ich halte viel von der menschlichen Natur, aber wenig vom Naturzustand des Menschen.« Mir schien schon damals, dass dieser Satz das Nachdenken lohnte. Die menschliche Natur ist formbar, der Mensch ist nicht festgelegt und lernfähig. Er kann sich zu einem schöpferischen, einfühlsamen, sozialen Wesen entwickeln.
Was aber passiert, wenn wir in unserem Naturzustand verhaftet bleiben und auch in späteren Jahren aus der Entwicklungsstufe des Kleinkindes nicht herauskommen? Dann bleibt unser Verhalten geprägt von Egozentrismus und der Unfähigkeit, sich in die Perspektive anderer hineinzuversetzen. Dann zählen nur die eigenen egoistischen Gefühle und Wünsche. Rücksichtslosigkeit ist die Folge. In der Sandkiste ist das noch eine altersgemäße Entwicklungsstufe. In späteren Jahren, in der Konkurrenz um den Arbeitsplatz zum Beispiel, wird solches Verhalten zu einem traurigen Befund.
Ein Begriff von Gerechtigkeit im Sinne der Gleichheit aller wird nicht entwickelt. Regeln bleiben äußerlich. Es kommt halt darauf an, auf den eigenen Vorteil zu achten und sich nicht erwischen zu lassen. Das ist schon die ganze Moral.
Kindern im Kita-Alter fehlt oft noch die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen und deren Perspektive zu übernehmen. Richtiges Handeln ist das, wodurch die eigenen Bedürfnisse und gelegentlich die anderer (Nahestehen- der) befriedigt werden. Entwicklungsgemäß ist das Kita-Kind in vielen Situationen dieser egozentrischen und lustorientierten Moral verhaftet: Ich habe die in Armut aufwachsen, ja offensichtlich mangelt. Womit wir beim Thema »teilen und abgeben« und beim Bilderbuch »Zwei für mich, einer für dich« von Jörg Mühle wären.
Den vollständigen Beitrag und weitere Artikel zum Thema können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 07-08/18 lesen.
Jörg Mühle
Zwei für mich, einer für dich
32 S., gebunden, ab 4 Jahren
Moritz Verlag
ISBN 978-3-89565-357-5
Euro 12,95
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