Feste der Religionen:
Versöhnungstag und Laubhüttenfest im Judentum
Ein Jahr ist für Kitakinder eine unüberschaubar lange Zeit. Sowohl die Natur mit ihrem Wechsel der Jahreszeiten als auch die Kultur mit immer wiederkehrenden – meist religiös geprägten – Festen hilft ihnen, sich im Jahreskreis zu orientieren. In unserer neuen Serie »Feste der Religionen« hat Kirsten Dietrich für uns zusammengestellt, wie religiöse Feste gefeiert werden und was davon Kindern im Kitaalltag erfahrbar gemacht werden kann.
Da die Familien und damit auch die Kitas immer interkultureller werden, geht sie nicht nur auf christliche Traditionen ein, sondern greift auch andere in Deutschland vertretene Weltreligionen auf. In dieser Ausgabe geht es um die höchsten und trotzdem oft unbekannteren Feste im Judentum.
In Deutschland leben zur Zeit etwa 100.000 praktizierende Juden – das ist nur ein geringer Anteil der Bevölkerung, aber die prägende Kraft des Judentums reicht weit über die Statistik hinaus. Das Judentum ist die Mutter des Christentums und auch eine der prägenden Quellen des Islam. Auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands gab es jüdische Gemeinden, noch ehe das Christentum Fuß fasste. Die Heilige Schrift des Judentums ist auch für die Christen ein Teil ihrer heiligen Schriften. Viele Figuren aus der hebräischen Bibel begegnen uns in Christentum und Islam. Vor der systematischen Ermordung und Vertreibung der Juden ab 1933 lag der Anteil der Juden im deutschen Reich bei ungefähr ein Prozent, in einigen Großstädten wie Berlin oder Frankfurt am Main bei drei bis vier Prozent.
Die Geschichte des Judentums in Deutschland ist eine mit Höhen und ungeheuerlichen Tiefen: Auf der einen Seite steht die Katastrophe der Shoa, die auf die komplette Auslöschung alles Jüdischen zielte. Auf der anderen Seite stehen aber auch Jahrhunderte, in denen Juden und Jüdinnen die deutsche Kultur nachdrücklich prägten – bedingt vor allem durch die hohe Wertschätzung, die kritischer, streitbarer Bildung im Judentum schon immer zugeschrieben wurde.
Die gesamte Geschichte des Judentums ist geprägt von diesem Doppelcharakter: Juden verstehen sich als das auserwählte Volk eines monotheistischen Gottes. Das Judentum ist eine Religion, die sich dieses Prinzip des einen, abstrakten Gottes konsequent zu eigen gemacht hat. Zum anderen wurden Juden immer schon auch als Volk verstanden und als solches über weite Teile ihrer Geschichte Opfer von Ausgrenzung oder gar aktiver Verfolgung. Auch davon erzählt die Bibel der Christen.
Religiöse Gebote stehen im Judentum an zentraler Stelle, denn die Religion versteht sich als eine, die um das Handeln kreist. Der Punkt, der für Außenstehende am sichtbarsten ist, sind sicher die Essensvorschriften, das sogenannte koschere Essen. Dabei geht es sowohl um Nahrungsmittel, die ganz vermieden werden sollen (z.B. Schwein oder Meeresfrüchte), als auch um bestimmte Formen der Zubereitung: So darf Milchiges nicht mit Fleischigem zusammen gekocht werden. Cheeseburger oder Gulasch mit Sahnesoße können also nicht koscher sein.1 Wichtig ist, dass gläubige Juden diese Gebote nicht als unüberwindbare Hürde verstehen, an der Gott die Menschen scheitern lässt. Sie lassen sich, trotz ihrer beeindruckenden Fülle, zumindest theoretisch einhalten.
Das bekannteste jüdische Fest ist sicherlich Pessach, das im Frühjahr gefeiert wird (der genaue Termin wechselt, da das Judentum einen kombinierten Mond-Sonnen-Kalender nutzt), was daran liegt, dass es vom Christentum zum Osterfest umgeformt wurde.2 Auch zum christlichen Weihnachtsfest gibt es eine jüdische Entsprechung, die jedoch mehr mit dem Termin als mit der Bedeutung der beiden Feste zu tun hat. Das Chanukka-Fest erinnert an die Weihe des wiedererbauten Tempels in Jerusalem im Jahr 164 vor unserer Zeitrechnung – weil es aber im Winter gefeiert wird und ebenfalls eine Lichtersymbolik hat, wird es oft mit der christlichen Weihnacht parallel gesetzt. Darüber hinaus gibt es noch bedeutendere jüdische Feste, die bei uns jedoch wenig bekannt sind.
Wer neugierig geworden ist, wie sich der jüdische Festkreis pädagogisch umsetzen lässt, kann sich exemplarisch auf den Seiten der Lichtigfeld-Schule umsehen, einer jüdischen Grundschule mit Gymnasium in Frankfurt am Main. Unter dem Stichwort »Jüdische Erziehung« führt die Schule durch religiöse wie säkulare Feier- und Gedenktage.
www.lichtigfeld-schule.de
1 Diese Essensvorschriften lassen sich in der Kita gut koordinieren: Für Kinder, deren Eltern nicht strikt koscher kochen, passen auch die Essensregeln, die auch für muslimische Kinder gelten. Kinder dagegen, die in einem streng koscheren Haushalt aufwachsen, werden wahrscheinlich einen jüdisch-religiösen Kindergarten besuchen.
2 Pessach und Ostern sind insofern verwandt, als dass Jesus, in den Tagen vor seinem Tod, wie jeder praktizierende Jude, Pessach feierte – das Fest, mit dem Juden bis heute an die Rettung durch Gott aus der Sklaverei in Ägypten erinnern. Die christliche Tradition verrückte den Fokus auf Jesus selbst und feiert an Ostern dessen Tod und Auferstehung.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 08-09/16 lesen.