Mit Kohlköpfen und Akkuschrauber Kunstwerke schaffen? Der Bildhauer Rüdiger Schöll eröffnet Kindern im Kinder Künste Zentrum in Berlin-Neukölln ungeahnte Möglichkeiten, sich kreativ auszudrücken.
Gemüse ist ein Lebensmittel, es ist aber auch ein Material mit einem sinnlichen Charakter. Beim Gestalten mit Gemüse essen die Kinder einen Teil ihres »Arbeitsmaterials« direkt auf, sie riechen und schmecken dabei, womit sie arbeiten. Außerdem ist die Konsistenz der einzelnen Gemüsesorten verschieden und ermöglicht dadurch unterschiedliche haptische Erlebnismöglichkeiten.
Dazu kommt noch das Geschenk der Natur, das dem Gemüse nicht nur die Form, sondern die daran gebundene Farbe mitgibt und so den Kindern ein ganzheitliches Erlebnis ermöglicht. Material, Farbe und Form können gleichzeitig wahrgenommen werden. »Mit allen Sinnen lernen«, das ist Motto des Kinder Künste Zentrums.
Die Ausgangssituation
Ich bin Bildhauer von Beruf. Ich selbst arbeite immer direkt mit den Materialien. Skulpturen aus Holz, Stein und Draht zu entwickeln, hat für mich eine besondere Spannung, wenn es mir gelingt, handwerkliche Vorgänge und inhaltliche Aussagen spielerisch zu verbinden. Vor Beginn der Arbeit wäge ich ab, welches Material und welche Vorgehensweise ich benutze. Ich entwickle meine Skulpturen grundsätzlich im induktiven Verfahren.
Diese induktive Arbeitstechnik benutzen Kinder ganz automatisch, indem sie einzelne Elemente spielend nebeneinander legen oder z.B. Holzklötze übereinander schichten. Je nach Altersstufe können zu der Methode des Schichtens und Bauens auch Schnüre, Drähte oder andere Verbindungselemente (in diesem Fall Zahnstocher und Holzstäbe) dazu verwendet werden, um ein räumlich komplexeres Bauen zu ermöglichen.
Von Januar bis März 2015 arbeitete ich im Kinder Künste Zentrum beim Aufbau der Ausstellung »Essen und Kunst« mit. Mit Beginn der Ausstellung war ich in die Vorbereitung und Umsetzung von Führungen mit Kitakindern eingebunden. Darüber hinaus wurde mir angeboten, ein Projekt zu betreuen, das an zwei Sonntagen im Kreativangebot für Familien mit Kindern durchgeführt werden sollte. Durch meinen Erfahrungshintergrund bat sich ein bildhauerisches Projekt an. In gemeinsamen Gesprächen mit Karen Hoffmann, der Leiterin des Zentrums, entwickelten wir das Projekt »Köpfe aus Gemüse«.
Die bildnerischen Mittel
Bei der Verwendung von Gemüse als plastisches Material ist es notwendig, den Blick auf die bildnerische Vorgehensweise und Umsetzung zu lenken. Das Prinzip des Bauens aus Fragmenten, als einem wesentlichen Gestaltungselement in der zeitgenössischen Kunst, ist für die Unterstützung der kreativen Arbeit mit Kindern besonders geeignet.
Warum ist das so? Elemente zu benutzen und die Teile zu einem Ganzen zusammenzufügen, schafft Freiheit und dadurch wird spontanes Handeln möglich. Wichtig ist dabei, dass die Verbindungen zwischen den Elementen einfach funktionieren und die Verbindungstechniken für Kinder gut handhabbar sind. Das Arbeiten mit Elementen befreit von der Verpflichtung zum realistischen Abbild – was in unserer Altersgruppe des Workshops jedoch noch kein Thema ist.
Wir haben für das Projekt »Köpfe aus Gemüse« das induktive Gestaltungssystem übernommen, da die Kinder dieses System mit ihren eigenen Möglichkeiten leicht adaptieren können. Somit können sie auch mögliche technische Hürden einfacher oder komplexer lösen.
Zunächst ist es im klassisch bildhauerischen Sinn eher ungewöhnlich, mit Gemüse zu arbeiten. Es gibt allerdings in der Kunstgeschichte – wie die Ausstellung im Kinder Künste Zentrum sehr eindrucksvoll zeigte – eine Tradition der Bezugnahme auf Essen in der Kunst, sei es in Stillleben mit Obst und Gemüse oder beispielsweise den Gemüseportraits von Archimboldo.
Induktives Verfahren
Induktiv bedeutet, vom Einzelnen zum Ganzen kommend. Im Gegensatz zu deduktiv, wo man vom Ganzen zum Einzelnen kommt. Beim induktiven Verfahren werden einzelne Teile oder Fragmente zu einem Ganzen zusammengebaut oder gelegt, wobei die einzelnen Teile nur einfach oder gar nicht bearbeitet werden und erst durch das Zusammenfügen bildnerische Spannung erhalten.
Kontakt
Rüdiger Schöll studierte Bildhauerei und Malerei und ist seit 1991 freischaffend tätig und bietet Workshops an. 2010 gründete er die Kunstschule Weisestraße in Berlin.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 08-09/16 lesen.