Wie können wir mit Kindern über die Klimakrise sprechen?
Der Klimawandel scheint ein zu bedrohliches Thema zu sein, um ihn im Gespräch mit Kindern aufzugreifen. Kristine Fjord Tolborg, Projektleiterin aus Dänemark, plädiert statt für Vermeidung lieber dafür, Nachhaltigkeit in einer zeitgemäßen pädagogischen Praxis zu verwurzeln.
Wie sprechen wir mit jungen Kindern über den Besorgnis erregenden Zustand unseres Planeten? Das war das Thema einer Debatte, die ich auf dem Nationalen Klimatreffen Anfang September 2022 in der dänischen Stadt Middelfart moderieren durfte. Das Nationale Klimatreffen (Klimafolkemødet) ist eine jährliche, dreitägige Veranstaltung, bei der Bürger:innen, Politiker:innen, Organisationen der Zivilgesellschaft, Student:innen und Unternehmen zusammenkommen, um den Klimawandel aus verschiedenen Perspektiven zu diskutieren.
Ich möchte diese Debatte als Ausgangspunkt nehmen, um zu zeigen, wie Hoffnung und Angst sich die Waage halten können, wenn man mit Kindern über den Klimawandel und über Nachhaltigkeit spricht. Dazu werde ich kurze Beispiele aus einem gewöhnlichen dänischen Kindergarten mit einem außergewöhnlichen Fokus auf Nachhaltigkeit vorstellen und schließlich den Handlungsbedarf von Einrichtungen der frühkindlichen Bildung allgemeiner skizzieren.
Das Dilemma
Die Debatte auf dem Nationalen Klimatreffen befasste sich mit dem Dilemma, vor dem viele von uns stehen, ob als Eltern und Fachleute: Wir wollen die jüngsten Bürger:innen für einen besseren Umgang mit unserem Planeten sensibilisieren – ohne sie mit düsteren Prognosen einer ungewissen Zukunft zu belasten, die von Klimawandel, Umweltverschmutzung und dem Verlust vieler Tier- und Pflanzenarten geprägt ist.
Das Podium bestand aus fünf Personen: dem Leiter einer Nichtregierungsorganisation, die sich für nachhaltige Entwicklung einsetzt, einer Autorin von Jugendbüchern zum Thema Umweltschutz, einer Vertreterin der öffentlichen Bibliotheken, einer Schuldirektorin und einem Professor, der ein Forschungsprojekt über Nachhaltigkeit in Kindertagesstätten durchführt. Aus ihren unterschiedlichen Blickwinkeln gaben sie Einblicke, wie wir Kinder einbeziehen und ihre Sorgen um die Zukunft ernst nehmen können, ohne ihnen Angst zu machen.
Einer der wichtigsten Punkte in der Debatte war: Es ist keine sinnvolle Strategie, das Thema zu vermeiden. Schon kleine Kinder hören die Nachrichten und die Gespräche der Erwachsenen und machen sich ihre eigenen Gedanken darüber. Damit dürfen wir sie nicht alleine lassen, denn Kinder spüren genau, wenn Erwachsene sich sorgen und Angst haben. Anstatt das Thema zu vermeiden, müssen wir Wege finden, um kindgerecht über den Klimawandel zu sprechen. Es ist wichtig, die Sorgen der Kinder anzuerkennen, ihnen aber auch aufzuzeigen, dass entschlossenes Handeln und Engagement ein gutes Mittel sind, Sorgen und Ängsten entgegenzutreten.
Ein weiterer Punkt war die Rolle von Literatur. Literatur kann einbeziehen, bewegen und einen Ausgangspunkt für Gespräche schaffen. Sie bietet eine Sprache für Themen an, die mit vielen negativen Gefühlen verbunden sind, und schafft einen Raum, in dem diese Themen in sicherer Distanz bleiben, da die Geschichten von fiktiven Figuren erlebt werden.
Nachhaltigkeit im Alltag
Das führte zu der Frage, wie Einrichtungen der frühkindlichen Bildung Nachhaltigkeit als Teil ihrer pädagogischen Praxis behandeln und den Kindern Wege zum Handeln und Engagement aufzeigen können.
Der Kindergarten Løvbakken liegt im nördlichen Teil Dänemarks in der Nähe der Stadt Aalborg und hat es sich zum ausdrücklichen Ziel gemacht, den Kindern die Erfahrung zu vermitteln, »Weltbürger:in« zu sein. Die Einrichtung verwendet die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) als Rahmen und arbeitet mit Nachhaltigkeit im weitesten Sinne des Wortes. Das umfasst sowohl eine ökologische als auch eine soziale und eine wirtschaftliche Perspektive. In der alltäglichen Praxis des Kindergartens bedeutet das, sowohl die Verbundenheit mit der Natur und die Zugehörigkeit zu einer Gruppe als auch den Umgang mit Ressourcen in den Mittelpunkt zu stellen. Wie wird das in Løvbakken umgesetzt?
Ein neuer Baum am Tag der Erde
Die Kinder von Løvbakken beteiligen sich an der Mülltrennung im Kindergarten und lernen, in welche Behälter sie Pappe, Papier, Glas, Plastik usw. geben sollen. Der Biomüll wird von den Kindern kompostiert. Einmal im Jahr, am Nationalen Müllsammeltag, sammeln die Kinder und ihre Familien den Müll in der Umgebung ein.
Viele Zeitungen, große Pappstücke und andere Verpackungen werden jedoch vor dem Müll gerettet und für kreative Aktivitäten wiederverwendet. Einmal im Jahr werden die Müllkunstwerke der Kinder auf einer »Kunstmesse« zum Verkauf angeboten, wo sie von den Eltern gekauft werden können. Das Geld wird an eine humanitäre Organisation gespendet.
Außerdem gibt es in der Einrichtung einen Bücherschrank, der mit gebrauchter Kleidung und Spielzeug gefüllt ist. Die Gegenstände werden von den Eltern zur Verfügung gestellt und sind eine einfache Möglichkeit, nicht mehr gebrauchte Kleidung und nicht mehr benutztes Spielzeug weiterzugeben und gegen andere Gegenstände einzutauschen.
Jedes Jahr am 22. April, dem Tag der Erde, feiert Løvbakken mit den Kindern Mutter Erde und die Natur. Im Garten wird ein Baum gepflanzt, und die Kinder helfen bei der Pflege des jungen Baums, bis er stark genug ist, um selbst zu überleben.
Eine weitere Gelegenheit für nachhaltiges Handeln bietet die Zusammenarbeit des Kindergartens mit dem städtischen Pflegeheim. Eine jährliche Tradition ist ein vom Kindergarten Anfang Oktober veranstaltetes Café, zu dem Eltern, Freund:innen und die Bewohner:innen des Pflegeheims eingeladen werden. Die Kinder verkaufen Kuchen, den sie im Kindergarten gebacken haben, und spenden das Geld anschließend für einen guten Zweck.
Kristine Fjord Tolborg ist Geschäftsführerin von Chora 2030, einer dänischen Non-Profit-Organisation, die Bürger:innen und regionale Institutionen beim Übergang zu einer nachhaltigeren Praxis unterstützt. Chora 2030 bietet ein Zertifizierungsprogramm für Kindergärten, Schulen und öffentliche Bibliotheken an, um ihnen dabei zu helfen, die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) in konkrete Maßnahmen umzusetzen.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe KINDER in Europa heute 05/23 lesen.