Ein mehrtägiges Teamseminar führte zu erstaunlichen Veränderungen der pädagogischen Praxis einer Vorschule in Nordspanien. Die Erzieherinnen der Ikastola Zubi Zaharra in Balmaseda und Alexander Barandiaran berichten.
Die »Schule an der alten Brücke« (Ikastola Zubi Zaharra) von Balmaseda in der Provinz Biscaya (Nordspanien) gehört zu einem Netzwerk von staatlich unterstützten Privatschulen, den so genannten Ikastolas, in denen die baskische Sprache und Kultur die zentrale Grundlage der Pädagogik bilden; hinzu kommen regionale Einflüsse. Zum Netzwerk dazuzugehören, hat seine Vorteile. Lehrerinnen und Erzieherinnen bekommen darüber ihre speziellen Materialien, z.B. aus dem so genannten Urtxintxa-Projekt, die inzwischen zum Grundbestandteil der Arbeit in allen Iskatolas geworden sind. Allerdings wird es in manchen Schulen zu eingeschränkt angewandt. Dann wenden die Erzieherinnen die Materialien nicht kind- sondern erzieherinnenzentriert an und die Kinder müssen den »pädagogischen Einheiten« strikt folgen und nacheinander abarbeiten.
Nachdem sie selbst 10 Jahre im Projekt mitgearbeitet hatten, entschied sich das Team der Lehrerinnen und Erzieherinnen von Zubi Zaharra nach reiflichen Überlegungen für deutliche Veränderungen des Programms. Vor fünf Jahren entschieden sie sich, mit Hilfe von Fortbildungen »Theorie und Praxis« in Einklang zu bringen, das heißt ihre Absichten und Ziele konsequent umzusetzen. Dazu holten sie sich externe Unterstützung von Wissenschaftlern, die ökologibewusste Umgebungen für Kinder entwickeln und kreieren.
Das Team begann einen siebenteiligen Fortbildungskurs auf der methodischen Grundlage der Handlungsforschung. Das bedeutet, dass Praxis und Reflexion miteinander verbunden sind und kein Programm erfüllt werden muss, sondern dass sich die einzelnen Handlungs-schritte nach und nach herausschälen.
Im ersten Kurs ging es um die Grundlagen der menschlichen Entwicklung. Es folgten die Themen »Pädagogische Antworten auf Entwicklungsvoraussetzungen« und »Was brauchen Kinder an Zeit, Raum und Material?«. Das Management-Team der Schule nahm an allen drei Veranstaltungen teil. Nachdem der Rahmen feststand, mussten und konnten die Teilnehmerinnen überlegen, wie sehr sie an wirklichen Veränderungen interessiert waren, die dann ab dem vierten Kurs wirklich begannen.
Gruppenräume wurden neu konzipiert, sie sollten künftig durch verschiedene Aktivitätsinseln strukturiert werden. Das Team sollte dabei besonders die Aspekte psycho-pädagogischer Prinzipien und mögliche Themen der Aktivitätsinseln berücksichtigen, um sie mit Material auszustatten. Schließlich wurden noch Auswertungskriterien für die Veränderungen entwickelt. Die nächsten beiden Veran-staltungen waren der Feinplanung vorbehalten: Vorstellung der Pläne, Diskussion und Ideen für Veränderungen sowie die Vorbereitungen der Umsetzung.
Bis zur siebenten Fortbildung ging die Phase, in der alle Erzieherinnen ihre Ideen in die Praxis umsetzten, nachdem zuvor alle Kolleginnen und Kollegen noch weitere Anregungen und vor allem ihre Zustimmung und Unterstützung zugesagt hatten. Das Team stand hinter den Veränderungen.
In der abschließenden Veranstaltung wurde das Management-Team der Ikastola gebeten, ihre Eindrücke der Veränderungen zu reflektieren und eine wertende Einschätzung dazu abzugeben. Und ganz zum Schluss wurde auch noch der Arbeitsprozess begewertet. Die Ergebnisse fielen so positiv aus, dass die Erzieherinnen und Erzieher beschlossen, diesen Weg weiterzuverfolgen. Nach und nach sollten die vorgegebenen »pädagogischen Einheiten« ersetzt werden. Auf die Frage, was die Veränderungen bewirkt haben, antworteten die Kolleginnen:
- Die Kinder sind froh. Sie wollen zur Schule kommen, denn sie haben Freude.
- Die Atmosphäre ist nun viel angenehmer. Die Kinder helfen einander, haben Forscherfragen und suchen selbst nach Antworten.
- Sie kommunizieren mehr miteinander und sprechen häufiger und mehr baskisch.
- Die Aufmerksamkeit ist deutlich höher.
- Es gibt keine Frustration mehr, irgendein Kind weiß immer weiter.
- Jedes Kind entscheidet, was es tun will; es tut etwas, weil das Kind es tun will.
- Es gibt viel weniger Aggressionen; sie sind viel ruhiger.
- Sie sind viel autonomer.
- Sie sagen, der Raum ist jetzt viel schöner.
- Wir Erwachsenen sind entspannter, glücklicher. Wir erfreuen uns an den Kindern.
Damit diese unterschiedlichen Erfahrungen gemacht werden konnten, musste Freiheit gesichert werden: Die Wahlfreiheit zu entscheiden, was man tun will, wie man vorgehen will und welche (Alltags-) Materialien man zur Verfügung stellen wolle, einschließlich der Akzeptanz, dass die Räume verschieden sind. In Bezug auf die Kinder war es vor allem die Freiheit der eigenen Geschwindigkeit.
Im Nachhinein und unter dem Stichwort Autonomie betrachtet, steht für die Erzieherin fest: »Es hat sich vieles verändert. Eine der deutlichsten Änderungen betrifft die Autonomie der Kinder. Die steht eindeutig bei den drei Aspekten Zeit, Raum und Materialangebot im Vordergrund.«
Über die Organisation der Zeit
Vorher war der Zeitrahmen sehr eng und präzis festgelegt. Um 9.00 Uhr fingen wir an; alle begannen und endeten zur gleichen Zeit. Waren die Kinder im Klassenraum, führte die Erzieherin den Morgenkreis (Gruppendiskussion) durch, üblicherweise mit Themen wie: Was habt ihr gestern gemacht? Oder einem von der andereño (ein baskischer Begriff für Erzieherin) oder ein vom Curriculum vorgegebenes Thema. Um 10.00 Uhr folgte die Pause im Freien, danach wurde eine Geschichte erzählt, auf die wiederum ein Arbeitsblatt folgte, bis wieder eine Pause anstand.
Mit der neuen Arbeitsweise, beginnt und endet die Ikastola flexibel. Im Klassenzimmer angekommen, suchen sich die Kinder ihre Beschäftigung selbst.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe KINDER in Europa 28/15 lesen.