Marta Guzmann und Stig G. Lund, die Gastredakteure dieser Ausgabe, stellen das Heftthema vor.
Von Kindheit an ist unser Leben durch Veränderungen geprägt. Durch sie wachsen wir und bleiben in Bewegung. Darum sollten Veränderungen uns nicht ängstigen. Vielmehr können wir uns an ihnen stärken ud sowohl uns als auch andere besser verstehen.
Veränderungen gibt es auch in Kindertageseinrichtungen und Schulen: Täglich zeigen sie im Kleinen wie im Großen an, was läuft und darauf folgen wird. Allerdings können wir diese Institutionen nicht einfach eiligen Schrittes durchmessen. Eile ist falsch. Mit Zuversicht und in angenehmem Tempo geht es besser voran. Wir sollten jederzeit anhalten können zum Verschnaufen. Jeder Schritt sollte zum Kennenlernen unserer Umwelt beitragen, wie sie unsere Absichten und Ziele befördert und wie wir dazu beitragen.
Beim Übergang von der Kindertageseinrichtung oder direkt von der Familie in die Grundschule handelt es sich um eine soziale Konstruktion. Das Übergangsalter z.B. hängt von Traditionen und politischen, nationalen Entscheidungen ab, hoffentlich auch von Wissen und Erfahrungen auf der Basis von Forschungen. Wer behauptet, dass was in einem Land Europas als richtig empfunden wird, auf alle anderen passt? Allein das Eintrittsalter in die Grundschule variiert in Europa zwischen dem vierten und dem siebten Lebensjahr.
Bei Übergängen – Transitionen – spielen immer auch Begrüßungen, Verstehen und Achtung eine Rolle. Bei jedem Übergang sollte immer auch ein kompletter Neuanfang möglich sein – wenn einem danach ist.
Wie erleben Kinder Veränderungen? In Bezug auf den Schuleintritt hängen ihre Erfahrungen stark von den elterlichen Erwartungen ab. Jeder hat wohl schon mal dies gehört: »Du bist ja bald schon ein großes Mädchen, ein großer Junge, und gehst zur Schule!«
Auch für Pädagogen und Lehrkräfte bedeuten Übergänge Veränderung, die – weil professionell – bewusst gestaltet werden sollte, absichtsvoll, abgestimmt und abgesprochen und damit reich an pädagogischer Achtsamkeit.
Der Übergang zwischen Tageseinrichtung und Grundschule ist eine bedeutsame Veränderung im Leben eines Kindes: Haus, Lehrer, Wege, alles ist neu. Doch das Kind trägt bereits einen Rucksack voller Erfahrungen, Abenteuer, Wissen und Interessen. In manchen Ländern wird das Kind freundlich gebeten, seinen Rucksack vor der Schultür zurück zu lassen. In anderen Ländern wiederum gilt das Prinzip pädagogischer Kontinuität. Hier folgen die Lehrkräfte der Grundschulen den Spuren der Kinder und knüpfen daran an.
Irgendwann trifft die Schulpflicht jedes Kind. Viele von ihnen kennen schon eine vorschulische Einrichtung. Diese sind der Schwerpunkt von »KINDER in Europa« und daher befassen wir uns auch mit dem Übergang zwischen den Institutionen. Wir treten für einen miteinander abgestimmten Übergang ein. Pädagogen in vorschulischen Einrichtungen und Grundschullehrkräfte sollten gleiche Vorstellungen über Kindheit, Elternbeteiligung und ihre professionelle Rolle entwickeln. Sie sollten die Kinder begleiten, ihnen zuhören, sie beobachten und sie achten.
Wir sind uns sicher, dass Transitionen nicht als bloße Anpassung gelingen. Es steckt mehr dahinter, als sich an einem neuen Ort einzugewöhnen, ein neues Verhalten oder Fertigkeiten zu erwerben. Übergänge bedeuten Veränderung, und auch dieser hier sollte Unterschiede zulassen. Diese Veränderungen sollten Vielfalt im Denken und Handeln erlauben.
»KINDER in Europa« meint, dass Übergänge sehr eng mit Zeit und Raum verbunden sind. Wir sollten Kindern Zeit, Raum und Material so zur Verfügung stellen, dass ein fortdauernder Prozess unterstützt wird. Zwischen Kindertageseinrichtung und Grundschule sollte ein pädagogischer Dialog stattfinden, in den sich alle Beteiligten einbringen. Jeder Übergang sollte ein gegenseitiger, erfahrungsreicher Prozess der Zusammenarbeit sein, damit kreatives Spiel mit kreativem Lernen verbunden und gefördert wird.
In diesem Heft können Sie über höchst verschiedene Erfahrungen und Überlegungen aus halb Europa lesen. Wir möchten mit länderübergreifenden Berichten zum Konzept der Transitionen beitragen und Grundschule verändern helfen. Hoffentlich gefällt das Heft Ihnen!
Wir beginnen mit einem Aufsatz von Renate Niesel und Wilfried Griebel aus München, die uns einen Überblick über das Thema verschaffen. Danach folgen Beispiele dafür, wie in diversen Ländern der Übergang organisiert wird, welche Inhalte bearbeitet und welche Verfahren angewandt werden, um Kontinuität zwischen vorschulischer Einrichtung und Grundschule zu erreichen. Wir stellen Beispiele aus Spanien, den Niederlanden, Belgien, Dänemark, Frankreich, Italien und, erstmals in »KINDER in Europa«, der Schweiz vor. Je ein Artikel aus Schottland und Polen präsentieren Beispiele der Zusammenarbeit mit Eltern in Sachen Transition. Aus Griechenland kommt eine Geschichte, die mit der Verwunderung der angehenden Schulkinder beginnt, warum zwischen Kindertageseinrichtung und Grundschule ein hoher Zaun steht: »Ist es, damit die Großen uns nicht schlagen können?«
Den Themenschwerpunkt beschließt der französische Philosoph Meirieu, der aus systemischer Sicht über das Leben der Kinder in der Familie, den Bildungseinrichtungen und der Gesellschaft nachdenkt. Er bietet die Chance, die vorgestellten Beispiele in einer anderen Realität zu überdenken, um der Komplexität, Unterschiedlichkeit und auch Widersprüchlichkeit gerecht zu werden.
Am Ende steht wie immer jemand »im Fokus«. Diesmal ist es Friedrich Fröbel, mit dem Lúcia Santos an die Bedeutung des Spiels für das kindliche Lernen und Wohlbefinden erinnert, das niemals vergessen werden sollte, egal wie Übergänge organisiert werden.
Marta Guzmann ist Herausgeberin von »KINDER in Europa« auf spanisch und in katalanisch
Stig G. Lund, Herausgeber von »KINDER in Europa« auf dänisch
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