Alle Kinder profitieren vom Kontakt mit der Natur. Pauline Ansel-Henry beschreibt, wie und warum Dänemarks Stadtkinder das Landleben erfahren.
Heftiger Schneefall. Die 22 Kinder zwischen drei und fünf Jahren können kaum abwarten, aus dem Bus raus und rein in den Schnee zu kommen. Sie sind schwer begeistert, als ihre Pädagogen ankündigen, dass der Rest des Weges bis zum »ländlichen Außenposten« ihres Kindergartens nun gelaufen werden muss. Eine Entfernung von zwei Kilometern ist schon eine ordentliche Wanderung im kniehohen Schnee und braucht seine Zeit. Kinder und Pädagogen hinterlassen Abdrücke von Hand und Po im Schnee, und formen auch Engelsfiguren.
Finger, Zehen und Nasen sind kalt, als sie endlich ankommen. Kleiderwechsel, dann Platz nehmen am Feuer. Die Kinder sprechen darüber, warum Schnee zu Wasser wird, wenn man ihn in der Hand hält. Das nämlich ist einer der Gründe, warum Stiefel richtig geschnürt und Reißverschlüsse ordentlich geschlossen sein müssen.
Sie sprechen über Regeln für Schneeballschlachten: wie man erkennt, dass jemand so etwas nicht mag und was geschieht, wenn jemand am Kopf getroffen wird. Die Kinder erzählen reihum ihre bisherigen Erfahrungen mit Schnee, über Schneebälle, Ski fahren und Eislauf. Manche Kinder wollen wissen, ob der Bus sie später wieder abholen wird oder ob sie übernachten müssen. Das gibt Gelegenheit, über Menschen auf dem Land zu reden und wie es früher gewesen ist, als es noch keine Heizung gab.
Die meisten Gespräche drehen sich an diesem Tag um Schnee. Ich nutze das Beispiel zur Illustration eines zentralen Anliegens in der Kindergartentradition Dänemarks. Wir mögen es, den richtigen Moment abzupassen. Es gibt viele solcher Momente, die ein Schneetag für Erfahrungen der Kinder mit der Natur eröffnet. Die Herausforderung liegt dann darin, eine Verbindung zum Curriculum herzustellen.
Die Natur war immer schon wichtig für die dänischen Kindergärten, so wie überhaupt in unserer Kultur. Doch nun haben schwedische Forschungen im vergangenen Jahrzehnt belegt, dass Kinder, die draußen spielen, neugieriger, kreativer und körperlich gesünder sind.1
Die ersten dänischen Kindergartengruppen begannen in den 1970er Jahren, mit Kindern – benachteiligter Familien – aus der Stadt aufs Land zu fahren. Man fuhr mit ihnen raus, auf dass sie im Wald spielen oder ihr eigenes Gemüse anbauen konnten; einige solcher Landkindergärten besaßen sogar Tiere. Je mehr Kinder im Vorschulalter eine Tageseinrichtung besuchten, je beliebter wurde es für alle Familien, ein Angebot draußen auf dem Land zu wählen. Für Eltern war es nämlich ein gutes Zeichen, dass ihr Kind einen richtig tollen Tag verlebt hatte, wenn es draußen rumgelaufen war und sich richtig schmutzig gemacht hatte.
In den späten 1990er Jahren wurden mehr Einrichtungen verlangt und die örtlichen Behörden schufen verschiedene Modelle. Bei einigen bleiben die Kinder während des ganzen Jahres draußen. Sie suchen nur dann eine Schutzhütte auf, wenn das Wetter besonders schlecht ist. Bei einigen Angeboten dient ein Bus als Tageseinrichtung. Der hat noch einige Sitzplätze, doch wurden auch Toiletten eingebaut, es gibt einen Essplatz und die Möglichkeit, nasse Sachen zu trocknen. Die Busse fahren verschiedene Plätze an; manchmal für die gleiche Gruppe, manchmal wechseln sich Kinder ab.
Heute ist das Konzept der Kindergärten ein Angebot für alle Kinder, egal ob sie in der Stadt oder auf dem Land leben. Es wird auf die Grundschule ausgedehnt. Es gibt Schulen, die machen ein- oder zweimal pro Woche die Natur zum Klassenzimmer, nicht etwa nur zum Biologieunterricht, sondern auch für Mathe oder Englisch. Auch hier zeigen Forschungen, dass das Draußensein gute Ergebnisse zeitigt.2 Es kann gut sein, dass in zehn Jahren die Natur zum Leben jedes dänischen Schulkindes gehört.
1 Grahn, Mårtensson, Lindblad (1997) Børns udeleg – betingelse og betydning. Pædagogisk Bogklub.
2 Grahn (1991) Rapport fra forsknings- og udviklingsseminar og ude skole i Danmark (Bentsen og Enemærke 2009).
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