Wie in Norwegen Männer für die Arbeit in Krippen und Kindergärten gewonnen werden berichtet Erik Hauglund.
In den 70er Jahren wurden in Norwegen die ersten beiden Männer als Vorschullehrer ausgebildet. Ich war einer davon. In den 80er Jahren wurden einige Versuche unternommen, mehr Männer in die Barnehager (Kindergärten für Kinder zwischen einem und sechs Jahren) zu kriegen, aber dann ließ das Interesse nach. Doch in den 90er Jahren kam erneut Interesse auf. Einiges wurde unternommen – und gipfelte in einem ersten Aktionsplan. Ein neuer Plan – »Ein guter Kindergarten ist ein Kindergarten der Geschlechtergleichberechtigung« – lief von 2004 bis 2007. Er hatte zwei Hauptziele: mehr Männer und ein gendergerechtes Verständnis der Arbeit.
Warum hat Norwegen der Frage, ob mehr Männer in den Kindergärten arbeiten, eine so hohe Priorität gegeben? Der Grund ist: Wir machen uns darüber Sorgen, dass die meisten Kinder während ihrer ersten zehn bis zwölf Lebensjahre nur Frauen begegnen – zuerst im Kindergarten, dann in der Schule und in der Betreuung nach der Schule (im Hort – school-age child care). Was sind die Langzeitfolgen, auch und gerade für die Gleichberechtigung der Geschlechter? Welche Signale bekommen junge Mädchen und Jungen dadurch, was ihre Geschlechterrollen betrifft?
Welche Schlussfolgerungen haben wir aus unserer Arbeit gezogen?
1. Um mehr Männer in den Bereich zu bekommen, muss man eine ganze Maschinerie aufbauen, die das schaffen kann. Das heißt: Finanzierung, örtliche Strukturen, Netzwerke, Projektentwicklung, Monitoring-Ergebnisse.
2. Man braucht mehr als nur einen Mann in einem Kindergarten oder einer Schule. Wenn ein Mann allein ist, wird fast jeder aufgeben. Männliches Personal zu halten – das spielt eine ebenso große Rolle wie es zu gewinnen.
3. Man muss mit Frauen arbeiten, die das Thema wichtig finden. Einige davon waren schon viele Jahre in geschlechtsgemischten Arbeitsgruppen und lachen, wenn man ihnen sagt, dass Männer wirklich nicht in diesem Bereich arbeiten wollen.
Schließlich muss man männliche Beschäftigte haben, die mit jungen Männern darüber reden können, um sie zu überzeugen, dass der Kindergarten ein Platz zum Arbeiten für sie ist.
Bitte irgendwen, einen Kindergarten zu beschreiben, und ich garantiere dafür, dass fast alle sagen werden, das sei ein Ort, an dem sich Frauen um Kinder kümmern. Das Bild vom Kindergarten ist in unserer Kultur von weiblicher Betreuung geprägt, nicht vom Lernen und unterschiedlichen Erfahrungen. Kein Wunder, dass die meisten jungen Männer an einen Ort der Frauen denken, wenn vom Kindergarten die Rede ist. Das muss verändert werden, und nur junge Männer können das tun, indem sie mit anderen jungen Männern darüber reden. Aber man braucht dafür auch Instrumente, Werkzeuge. Einer unserer Bezirke hat in Zusammenarbeit mit einem Kindergarten und der Stadtverwaltung eine DVD für Schulen produziert. Darauf sind Musik und Bilder von Männern und Frauen und Kindern in verschiedenen Situationen. Die DVD wird von jungen Männern vorgeführt, die selbst in Kindergärten arbeiten, und sie nehmen dann an den folgenden Diskussionen teil.
Haben wir Erfolg gehabt? Ich würde sagen: ja. Die Zahl der männlichen Vorschullehrer wächst von Jahr zu Jahr. Da aber auch die Zahl der Einrichtungen immer mehr wächst, nimmt auch die Zahl der Beschäftigten zu, und so ist der Prozentsatz männlicher Fachkräfte noch nicht so hoch, wie wir als Ziel festgelegt hatten. Wir müssen unser Ziel von 20 Prozent noch erreichen. Aber wir sind von drei Prozent im Jahr 1991 zu zehn Prozent im Jahr 2008 gekommen. Einige Stadtverwaltungen, die ernsthaft daran arbeiten, haben schon bis zu 25 Prozent männlicher Fachkräfte, und in unseren »Open-Air-Kindergärten« ist ein Drittel Männer. Es studieren auch viel mehr Männer, einige Universitätscolleges haben mehr als 20 Prozent männliche Studenten und eins hat sogar 30! Wir sagen, das Ende ist dann in Sicht, wenn ein männlicher Busfahrer seinen Kollegen erzählt, dass er sich freuen würde, wenn sein Sohn Vorschullehrer werden will. So weit sind wir noch nicht, noch lange nicht. Aber wir bewegen uns, und zwar in die richtige Richtung.
Und um auch das festzuhalten: Ein neuer Aktionsplan für 2008 bis 2010 ist gerade herausgegeben worden. Er befasst sich jetzt auch mit den Schulen, mit denselben zwei Zielen. Die Arbeit geht weiter!
Kenny Spence ergänzt den Bericht aus Norwegen um eine schottische Erfahrung.
Wenn mehr Männer in Kindergärten arbeiten, ermutigt das auch mehr Männer, sie zu nutzen. Männer sind sich darüber im Klaren, dass die Einrichtungen von Frauen für Frauen bereitgestellt werden. Jedenfalls erscheint es den Männern so. Untersuchungen über die Betreuung und Erziehung von Kindern zeigen jedoch, dass Männer ebenso erfolgreich und leistungsfähig sein können wie Frauen. Die Arbeit mit jungen Kindern kann anregend und aufregend sein. Betreuung ist nicht nur »Frauenarbeit«, doch diese Legende erhält sich immer weiter selbst am Leben, weil in den Kindereinrichtungen zu 98 Prozent Frauen arbeiten. Viele von uns verstehen zwar, dass Männer die Rollenmodelle für Jungen sind, doch die Gegenwart eines positiven männlichen Rollenmodells im Leben ist gleich wichtig für Jungen und Mädchen. Kinder brauchen den Kontakt zu Frauen und Männern.
All das sind gute Gründe dafür, mehr Männer in die Frühpädagogik zu holen. Im Laufe der Jahre habe ich viele Veränderungen gesehen, gerade auf dem Gebiet der Gesetzgebung zur Gleichberechtigung; gleiche Bezahlung zum Beispiel ist nicht länger nur eine gute Idee, sondern eine gesetzliche Forderung. Doch einer der Bereiche, in dem die Veränderungen besonders langsam vor sich gingen und gehen, ist die Präsenz – oder das Fehlen – von Männern in der Kinderbetreuung. Ich arbeite seit 20 Jahren in dem Bereich und bis vor kurzem habe ich dort nur sehr wenige Männer getroffen. Darüber hinaus ist keiner dieser wenigen Männer über die Ausbildung am College zur Kinderbetreuung gekommen.
Im Jahr 2000 beschloss ich – frustriert und müde von dieser Situation –, dass sich etwas verändern muss. In England und Wales waren Ziele festgelegt worden: sechs Prozent des Personals in Kindereinrichtungen sollten männlich sein. In Schottland hatte die Regierung währenddessen beschlossen, dass örtliche Kinderbetreuungsbündnisse – Childcare Partnerships – das Problem der Geschlechterungleichheit beim Personal in Kindereinrichtungen in Angriff nehmen müssten. Diese örtlichen Bündnisse wurden von der Regierung gegründet und finanziert, um die Arbeit in der Frühpädagogik zu fördern – einschließlich der Entwicklung des Personals.
Da die Mittel zur Finanzierung von Childcare Partnership ebenso wie zusätzliche EU-Mittel zur Verfügung standen, war es möglich, »Men in Childcare« (Männer in der Kinderbetreuung) im Jahre 2000 zu gründen, das erste Projekt dieser Art mit dem Ziel, Männer für die Ausbildung in der Frühpädagogik zu gewinnen. Wir fingen in Edinburgh an, und auf der Basis des Erfolgs dort finanzierte die schottische Regierung Kurse überall in Schottland. Wir sind außerdem eingeladen worden, in zwei Gemeindeverwaltungen in England zu arbeiten.
Männer für die Arbeit in der Frühpädagogik zu gewinnen erfordert mehr Männer in Ausbildungskursen – und das wiederum zieht ein Umdenken nach sich, wie man diese Kurse für Männer attraktiv machen kann. Die Ursache für den Erfolg von »Men in Childcare« liegt zum großen Teil an einem Einführungskurs, der nur für Männer veranstaltet wird. Anstelle der Situation, dass ein Mann in einem traditionellen Collegekurs auftaucht und sich dort allein mit 20 Frauen als Kommilitoninnen wiederfindet, wird der »Men in Childcare«-Kurs von Anfang an so gestaltet, dass nur Männer in der Klasse sind. Die Ausbildung wird in Partnerschaft mit den Colleges vor Ort organisiert und ist anerkannt. Wenn ein Teilnehmer nur zwei Module absolviert, können die Credits gesammelt werden; einige Männer verlassen den Kurs an diesem Punkt, wenn sie bessere erzieherische Fähigkeiten und mehr Verständnis für die Entwicklung von Kindern gewonnen haben.
Eine wesentliche Veränderung, die mehr Männer ermutigt hat, die Kinderbetreuung als berufliche Laufbahn für sich in Erwägung zu ziehen, besteht darin, dass die Qualifikation jetzt auch die Entwicklung der Kinder von der Geburt bis zum Alter von 18 Jahren einbezieht und damit die Arbeit in einer größeren Auswahl von Einrichtungen ermöglicht – beispielsweise in der Horterziehung (school-age childcare). Dadurch ergeben sich bessere Karrierechancen.
Was hat »Men in Childcare« erreicht? Das Projekt hat bislang mehr als 1000 Männer dabei unterstützt, Kurse in Kinderbetreuung zu besuchen. Dazu gehören Einführungskurse und ein Kurzprogramm bis zur vollen Qualifikation.
Das Vorurteil, Männer seien für die Arbeit mit jungen Kindern nicht geeignet, trägt zu dem Mangel an ausgebildeten männlichen Fachkräften bei und macht es zugleich sehr schwierig, männliche Bewerber zu gewinnen. »Men in Childcare« hat es geschafft, dieser Behauptung durch positive Öffentlichkeitsarbeit und Medienberichterstattung in Großbritannien und im Ausland entgegenzutreten.
Wie geht es weiter? Um die Arbeit von Organisationen wie »Men in Childcare« fortzusetzen, würde ich die Gleichberechtigung der Geschlechter am Arbeitsplatz gern nicht nur als gute Idee befürwortet, sondern als gesetzliche Forderung durchgesetzt sehen.
»Men in Childcare« hat eine DVD für den Arbeitsplatz produziert, die die Meinung von Müttern, Vätern und weiblichen Beschäftigten über Männer zeigt, die in der Frühpädagogik arbeiten. Wenn Sie mehr Informationen darüber bekommen wollen, wenden Sie sich bitte an den Autor.
Erik Hauglund ist Senior Adviser am norwegischen Ministry of Children and Gender Equality. Er arbeitet im Fachgebiet Gleichberechtigung der Geschlechter.
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Kenny Spence leitet ein Kinderzentrum in Edinburgh und ist Gründer von »Men in Childcare«!
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Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe KINDER in Europa 15/08 lesen.
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