Im vergangenen Jahr wurden die Richtlinien für den curricularen Rahmenplan in den dänischen Kindereinrichtungen eingeführt. Stig Lund beschreibt die Diskussion, die das hervorgerufen hat.
Dänemark verfügt über ein ausgedehntes System der Betreuung und Erziehung für die frühe Kindheit, das fast flächendeckend für alle Kinder bis zum Alter von sechs Jahren ist. Das System umfasst Kindereinrichtungen und für Kinder unter drei Jahren auch Familientagespflege. Die Ziele dieser pädagogischen Einrichtungen sind, die Kinder zu betreuen und soziale Probleme zu verhindern, den Kindern die Möglichkeit zum Spielen und Lernen zu geben, Vorstellungskraft, Kreativität und Sprache des Kindes anzuregen – kurz gesagt, dafür zu sorgen, dass die Kinder eine gute und sichere Kindheit erleben.
Kürzlich schlug die Regierung vor, einen Rahmenplan für dieses System einzuführen. Das provozierte eine heftige Debatte. Die Regierung erklärte, ein solcher Rahmenplan würde die Kinder für die Schule vorbereiten und zugleich die Aufmerksamkeit, die sich auf besonders gefährdete Kinder richtet, vergrößern. Die Gegner behaupteten, ein Curriculum würde zur »Verschulung« führen und die besonderen Vorzüge der dänischen Kindergartenpädagogik beschädigen, bei der der Schwerpunkt auf dem Spiel und der umfassenden Entwicklung der Kinder liegt. Im Laufe der Diskussionen wurde der Begriff »Rahmenplan« zu »pädagogischer Rahmenplan« und die Ministerin erklärte, es sei nicht ihr Ziel, ein Schulregime einzuführen. So müssen heute also alle dänischen Kindereinrichtungen einen pädagogischen Rahmenplan entwickeln.
Der pädagogische Rahmenplan
Das Gesetz über den Pädagogischen Rahmenplan trat am 1. August 2004 in Kraft und gilt für alle Einrichtungen für Kinder unter sechs und ebenso für Familientagespflege.
Worum geht es in dem Gesetz? Der Zweck des Gesetzes besteht darin, dass jede Einrichtung »das Lernen der Kinder durch spontane Erfahrungen und Spiel unterstützt, anleitet und anregt und dabei den Schwerpunkt auf das Potential und die Kompetenz der Kinder legt«.
Jede Einrichtung muss ein pädagogisches Curriculum aufstellen, das sechs Gebiete umfasst: die persönliche Entwicklung der Kinder, soziale Kompetenz, Sprache, Körper und Bewegung, Natur und Naturerscheinungen, Verständnis für die eigene Kultur und die Kultur anderer Menschen.
Der Rahmenplan muss als Ziele die Kompetenzen und Erfahrungen näher ausführen, die die Kinder sich aneignen bzw. die sie machen sollen. Er muss jüngere Kinder (unter drei Jahren) und ältere Kinder (zwischen drei und sechs Jahren) berücksichtigen.
Der Leiter der Einrichtung ist dem Elternrat und der Gemeinde gegenüber verantwortlich für die Entwicklung des Lehrplans (vgl. Artikel von Niels Christian Hansen über den dänischen Elternrat in Ausgabe 3 von »KINDER in Europa«). In der Praxis betrifft dies jedoch das ganze Personal, nicht nur die Leitung. Ein Anhang zum Gesetz gibt Beispiele für Ziele und Inhalte für jeden der sechs Bereiche und soll die Einrichtungen bei der Entwicklung ihres eigenen Curriculums inspirieren.
Konstruktive Kritik
Das pädagogische Curriculum ist jetzt eine Tatsache. Alle Einrichtungen haben ihre pädagogischen Rahmenpläne ausgearbeitet, unabhängig von ihrer Einstellung gegenüber dieser Idee. Pädagogen haben sich über das Thema des pädagogischen Curriculums zerstritten (vgl. Artikel von Helle Hansen und Jytte Jensen über Pädagogen, die wichtigste Gruppe von Arbeitskräften in den dänischen Kindereinrichtungen in Ausgabe 5 von »KINDER in Europa«). Einige sind der Ansicht, dass der Lehrplan eine Gefahr für die pädagogische Freiheit und die Bedürfnisse der Kinder darstellt. Andere jedoch sehen darin die Chance, den sozialen Status ihres Berufs zu verbessern und fügen hinzu, dass es nichts Neues ist, Kinder zu unterrichten.
In der BUPL, der Gewerkschaft für Pädagogen, haben wir uns für die Methode der konstruktiven Kritik entschieden. Unsere Haupteinwände betreffen den Mangel an Zeit, um den Rahmenplan auszuarbeiten, anzuwenden und zu evaluieren, und die nicht ausreichende Finanzierung, um die Arbeitskräfte für diese neue Aufgabe auszubilden.
Wir haben auch Bedenken, was den Inhalt betrifft. Pädagogen waren immer am Lernen der Kinder beteiligt. Vor 2004 hatten die Einrichtungen so genannte Aktivitätspläne entwickelt, die alle Aspekte der pädagogischen Arbeit der Einrichtung zusammenfassten. Die Lernprozesse der Kinder waren integraler Teil dieser Pläne. Jetzt sehen wir jedoch das Risiko, dass das Lernen die pädagogische Arbeit dominieren und das grundsätzliche pädagogische Ziel – die ganzheitliche Entwicklung des Kindes zu unterstützen – untergraben wird.
Die Pädagogik der dänischen Einrichtungen für junge Kinder hat eine lange Tradition. Am Anfang, vor mehr als 100 Jahren, wurden die Einrichtungen eingeteilt in Krippen (crèches), die die Kinder ärmerer Eltern betreuten, und Fröbel-Kindergärten, die vor allem für die Kinder aus Mittelklassefamilien da waren. Aber sie wurden zusammengeführt, um ein System zu bilden. Heute sind unsere Einrichtungen für alle Kinder offen, unabhängig davon, woher sie kommen, und spielen eine wichtige Rolle in der dänischen Gesellschaft.
Die Philosophie der Pädagogik beruht auf der Idee des Sozialstaates, der sich um all seine Mitglieder kümmert, und sie betont die freie und schöpferische Entwicklung des Kindes in einem sozialen Kontext. Kurz gesagt: Wir halten die Kindereinrichtungen für sozialpädagogische Institutionen mit einer breiten, ganzheitlichen Herangehensweise, nicht für Bildungseinrichtungen.
Es sind diese grundlegenden Werte, die von dem neuen Gesetz bedroht sein könnten. Ein großer Teil der Diskussionen drehte sich um die Identität der dänischen Kindereinrichtungen: Sind sie pädagogische Einrichtungen oder Bildungsstätten? Pädagogen möchten Kinder nicht als Objekte behandeln, die man mit Wissen voll stopft. Stattdessen wollen sie, dass die Kinder ihre Freiheit als aktive Individuen behalten, die die Welt erkunden und sich zur Welt in Beziehung setzen durch das Spiel und andere Aktivitäten, immer in Beziehung zu Erwachsenen und anderen Kindern.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Kinder in Europa 09/05 lesen.
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