Margaret Carr und Lesley Rameka beschreiben den Einfluss der Maori-Kultur auf die Entwicklung des Lehrplans für den Elementarbereich in Neuseeland.
1996 veröffentlichte das Bildungsministerium von Neuseeland ein nationales Curriculum, das für Kinder von der Geburt bis zum Alter von fünf Jahren gilt. Der Titel des Rahmenplans ist Te Whäriki. Das ist ein Wort aus der Sprache der Maori. Die Maori sind die indigene Bevölkerung in Neuseeland.
In dem Dokument heißt es: »Den Rahmenplan für die frühe Kindheit stellen wir uns als Whäriki (oder Matte) vor, gewebt aus den Prinzipien, Fäden, Strängen und Zielen, die in diesem Dokument definiert werden.«
Das Whäriki-Konzept akzeptiert Neuseelands Vielfalt in der Erziehung und Bildung der jungen Kinder und trägt ihr Rechnung. Es gibt fünf Haupttypen von Einrichtungen, die von 27 Prozent der Kinder unter zwei Jahren, von 60 Prozent der Zweijährigen und von mehr als 90 Prozent der Drei- und Vierjährigen besucht werden.
Die Kinderbetreuungszentren bieten normalerweise eine Ganztagsbetreuung für alle Altersstufen an, einige sind von den Gemeinden und für die Gemeinden der Pazifikinseln eingerichtet worden. Kindergärten sind normalerweise halbtags für Drei- und Vierjährige geöffnet. Spielzentren werden von Eltern geleitet, die Eltern bleiben häufig in den Zentren. Köhanga reo (ungefähr: Sprachennest) sind Einrichtungen, in denen die Maori-Sprache intensiv vermittelt wird. Einrichtungen im Hause betreuen die Kinder im Haus der Betreuer (Familientagespflege). Seit 1996 haben viele Einrichtungen sich den Lehrplan angeeignet und knüpfen ihre eigenen Programme auf der Grundlage des Rahmens, den Te Whäriki ihnen bietet.
Das Curriculum als Powerinstrument
Die Regierung von Neuseeland entschied 1990, ein Curriculum für den Elementarbereich als Teil einer nationalen Initiative für Lehrplandokumente für das ganze Bildungssystem zu erarbeiten. Damals stellte die Regierung 40 Prozent der Finanzierung für die Kindereinrichtungen im Elementarbereich zur Verfügung (heute sind es 75 Prozent), das Curriculum sollte also ebenfalls den Grad der Verantwortlichkeit erhöhen. Ein Projektteam zur Entwicklung des Rahmenplans wurde berufen, das nicht von Vertretern der Regierung, sondern von zwei Akademikern aus dem Bereich der Frühpädagogik geleitet wurde: Margaret Carr und Helen May. Als wichtig galten vor allem die Beratung mit dem Bereich und die Partnerschaft mit verschiedenen Interessengruppen.
Für das Entstehen und die Form des Lehrplans war die Partnerschaft mit Tilly Reedy und Tamati Reedy wichtig, die den Te Köhanga Reo Trust vertraten (die Aufsicht über die Maori-Sprachzentren). Tilly Reedy beschreibt den Rahmen, der sich aus der Tangata Whenua-Perspektive ergab. (Tangata whenua heißt in der Sprache der Maori: Volk des Landes.) Diese Perspektive verbindet die Kinder enger mit dem Land und der Vergangenheit. Sie betrachtet die Kinder als wertvollen Schatz: »die Fundgrube des Lehrens von gestern, die Verbesserung der Träume von heute und die Verkörperung der Ziele für morgen«.
Die Vision, die sich entwickelte, war die eines Curriculums, das das »mana« des Kindes beschützt und verbessert. Für diesen Begriff gibt es keine Übersetzung, ähnliche Ideen umfassen Begriffe wie Selbstachtung, Ansehen und Macht, Stärke und Anerkennung. Mana zu haben sei ein »Befähigungswerkzeug« für Kinder (Tilly Reedy). Damit beherrschen sie ihr eigenes Schicksal. Fünf Bereiche von Mana wurden für Te Whäriki entwickelt: manua atua (die entsprechende Idee wäre Wohlbefinden), mana aoturoa (Erforschung), mana whenua (Zugehörigkeit), mana tangata (Beteiligung), mana reo (Kommunikation). Bestärkung oder whakamana – beruhend auf dem Bild vom Kind als kompetent, als »Schatz« – ist ein Schlüsselprinzip. Geleitet von diesen Konzepten und Prinzipien hat das Curriculum klare Ziele für Kinder: Sie sollen aufwachsen als kompetente und selbstbewusste Lernende und Gesprächspartner, mit gesundem Verstand, Körper und Geist, mit sicherem Gefühl dafür, wohin sie gehören, und sicher im Wissen, dass sie einen hochgeschätzten Beitrag zur Gesellschaft leisten.
Te Whäriki stellt den Rahmen für die Anwendung des Rahmenplans, für die Bewertung und Möglichkeiten der Interpretation zur Verfügung. Te Whäriki bietet auch einen Rahmen für die Ausbildung der Beschäftigten in den Kindereinrichtungen.
An unserer Universität tragen die Lehrplanteile der dreijährigen Ausbildung für Fachleute für die frühe Kindheit die Titel »Das Wohlbefinden der Kinder«, »Lernen durch Erforschen und Spiel«, »Kommunikation und Sprache«, »Zugehörigkeit und Beteiligung« und »Der Welt einen Sinn geben«.
Te Whäriki ist mit folgenden Zielen entworfen worden: bestärkend und ganzheitlich zu wirken, eng mit der Gemeinde verbunden zu sein und vor allem wechselseitige Beziehungen zwischen »Menschen, Orten und Dingen« herzustellen. Jetzt ist es unsere Absicht, Kontinuität von der frühen Kindheit bis zum Ende der Oberschule herzustellen. In einem aktuellen Überblick des Lehrplans für den Schulsektor sind fünf Schlüsselkompetenzen für Schulen entwickelt worden, die den fünf Mana-Bereichen in Te Whäriki entsprechen.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Kinder in Europa 09/05 lesen.
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