Diese Ausgabe von »KINDER in Europa« befasst sich mit curricularen Rahmenplänen und Bewertungen in Kindertagesstätten und macht deutlich, dass staatlich regulierte Lehrpläne sich in den letzten Jahren in diesem Bereich verbreitet haben.
Die meisten Artikel der Ausgabe widmen sich der Entwicklung in Europa: in Dänemark, Frankreich, Deutschland, Italien (Reggio Emilia), Slowenien, Spanien und Schweden. Ein Artikel kommt aus Neuseeland, ein weiterer von der Internationalen Step-by-Step-Association, einem Netzwerk, das keiner Regierung untersteht und sich regional auf dem Feld von Bildung und Erziehung engagiert. Die Artikel bieten einen faszinierenden Gegensatz, was Werte, Ziele, Inhalte und Praxis betrifft.
Wie immer muss der Übersetzung der Beiträge besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Nehmen Sie nur einmal das Wort »pädagogisch«. Die Leserinnen und Leser von Stig Lunds Artikel wundern sich vielleicht, warum der Begriff Curriculum in Dänemark zu »pädagogisches Curriculum« wurde, wenn ihnen nicht bewusst ist, wie dieses Wort in Ländern mit starker sozialpädagogischer Tradition verstanden wird. Wie Pamela Oberhuemer in ihrem Artikel aus Deutschland erklärt, bezieht sich diese Tradition auf einen ganzheitlichen Ansatz in der Arbeit mit Kindern und umfasst Betreuung, Bildung und Erziehung. Im Englischen hat der Begriff »pedadogy« eine viel eingeschränktere Bedeutung und meint normalerweise nur Lehrmethoden. Und das ist genau die Herangehensweise, die die dänischen Pädagogen vermeiden wollen.
Annäherungen an das Curriculum
Die Artikel dieser Ausgabe und die Tabelle auf den Seiten 6ff., die die Länder miteinander vergleicht, zeigen, wie unterschiedlich die Länder an die Lehrpläne herangehen: Die Bandbreite reicht von ausführlichen und detaillierten Vorschriften zu kurzen Rahmenplänen, die breit angelegte Ziele und Prinzipien umreißen. Alle Lehrpläne beruhen jedoch auf bestimmten Vorstellungen von Gesellschaft, Kindheit und Lernen. Einige Lehrpläne, die wir in dieser Ausgabe vorstellen, entsprechen eindeutig bestimmten gesellschaftlichen Werten. Spanien, ein Land, das in seiner Geschichte lange eine zentralisierte Diktatur war, betont besonders die Dezentralisierung und Autonomie der Einrichtungen bei der Anwendung der Lehrpläne, so dass der Lehrplan dem einzelnen sozialen und kulturellen Kontext angepasst werden kann.
Slowenien, ein Land, das sich ebenfalls gegen ein früheres, staatlich dominiertes Bildungssystem wendet, unterstreicht in seinem neuen Curriculum die demokratischen Werte. In ähnlicher Weise ist es der Sinn der Step-by-Step-Programme in Mittel- und Osteuropa, die Zivilgesellschaft zu stärken, indem »Familien und Gemeinden am Bildungsprozess beteiligt werden und Methoden eingeführt werden, die das kritische Denken, das Entscheiden, die Verantwortung und den Respekt vor Unterschiedlichkeit und Vielfalt entwickeln und stärken«.
Neuseeland ist heute einer Gesellschaft mit zwei Kulturen verpflichtet, in der der Staat auch die Maori-Perspektive schätzt und unterstützt. Das Ergebnis ist ein nationales Curriculum, Te Whäriki, das grundlegend auf der Gemeinschaft beruht und die Beziehungen der Kinder zu »Menschen, Orten und Dingen« in den Mittelpunkt stellt.
Auch in Frankreich, einem auffallend zentralistisch organisierten Land, gibt es eine dem Curriculum zu Grunde liegende demokratische Absicht: Jedes Kind soll die gleichen Chancen auf Bildung bekommen.
Die Vorstellungen von der Kindheit werden in den Rahmenplänen deutlich sichtbar. Aus Schweden kommt beispielsweise das Bild eines »kompetenten Kindes, das sich emsig mit der Welt beschäftigt«. Kindheit ist nicht nur die Vorbereitung auf die Zukunft, sondern hat »ihren eigenen Wert im Hier und Jetzt« und das Curriculum soll nicht zu einem Prozess der »Verschulung« beitragen. Im Gegenteil, »die Vorschule soll die Schule beeinflussen, wenigstens in den ersten Schuljahren«.
Unterschiedliche Vorstellungen vom Lernen – seine Bedeutung, was gelernt werden soll (seine Inhalte), wie Kinder lernen sollen, welche Rolle die Erzieherin und der Erzieher spielen sollen – werden ebenfalls deutlich. Frankreich bevorzugt das Lernen in der école maternelle (Kindergarten), das auf die Schule vorbereitet, aber nicht – wie betont wird – dazu da ist, »künftige Inhalte vorwegzunehmen«. Die Aneignung »besonderer Kompetenzen« wird als wichtig erachtet und im Zyklus des Erlernens der Grundlagen (was auch die zwei ersten Grundschuljahre umfasst) heben die Lehrer die gesprochene Sprache und ihre enge Verbindung zur Schriftsprache hervor, »was die Kinder an die Schwelle zum Lesenlernen führt«.
Diese Sicht auf das Lernen stimmt mit dem neuen amerikanischen Modell der Lernstandards überein, das durch eine ähnliche Aufmerksamkeit für Kompetenzen, Sprache und Vorbereitung auf die Schule gekennzeichnet ist, aber im Gegensatz zu älteren Modellen steht, die in dieser Ausgabe vorgestellt werden. Sloweniens erklärtes Ziel ist es beispielsweise, wegzukommen von einem »Modell, in dem es darum geht, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, hin zu einem Modell von der Entwicklung als Prozess«.
Reggio Emilia legt den Schwerpunkt auf das Lernen, vermeidet jedoch ein vordefiniertes Curriculum. Man ermutigt die Kinder, ihr eigenes Leben und Lernen selbst in die Hand zu nehmen. »Lehrer und Schüler helfen dem Kind und der Gruppe, zu lernen, wie man lernt, indem sie die natürliche Anlage der Kinder zu Beziehungen und zum konsequenten Ko-Konstruieren von Wissen unterstützen und pflegen.« Dafür werden Gruppenprojekte bevorzugt, die »vom Dialog zwischen Kindern, Lehrern und der Umgebung bestimmt und als Weg oder Reise betrachtet werden – ohne vorher definiertes Ziel.« Die Betonung des Lernens in der Gruppe und durch die Beziehungen in der Gruppe unterscheidet sich von der individuellen Beziehung zum Lernen und zum Wissen, das viele Bildungssysteme charakterisiert. Wie im Krähen-Projekt deutlich wird, das von Ann Aberg in Schweden durchgeführt wurde, »wird die Gruppe zu einer Kraft, die das Kind weiterbringt – weiter als es allein, als Individuum, kommen könnte«.
Andere Länder messen dem Lernen weniger Bedeutung bei und sehen den Sinn der Einrichtungen für die frühe Kindheit eher ganzheitlich. Dänemark zum Beispiel betrachtet »Kindereinrichtungen eher als pädagogische Institutionen mit einer weiten, ganzheitlichen Methode denn als Bildungsstätten«.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Kinder in Europa 09/05 lesen.
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