Menschenskinder. Ein Ort mit Spielraum
Im Ausloten von Spielräumen sind in der Kita und dem Familienzentrum der menschenskinder berlin gGmbH in Berlin-Friedrichshain nicht nur die Kinder stark. Wer hier arbeitet, liebt das Leben – auch wenn man sich dafür manchmal ein bisschen elastisch zeigen muss. Im Gespräch mit unseren Redakteurinnen Jutta Gruber und Emilia Miguez reflektieren die Leiterinnen der Kita Eva Messlin und des Familienzentrums Katharina Frass mit ihrer Geschäftsführerin Manuela Stuhlsatz darüber, was ihnen wirklich wichtig ist.
Angefangen hatte alles 1994, als Manuela Stuhlsatz nach Berlin zog und über etliche Kinderbetreuungsangebote für ihren ein Jahr zuvor geborenen Sohn regelrecht enttäuscht war. Ihre Wahl fiel schließlich auf einen Kinderladen. Sie mochte den Pioniergeist, den alle Beteiligten mitbrachten, und stellte es sich großartig vor, Teil einer engagierten Gemeinschaft zu sein. »Letztlich aber ging es den meisten Eltern eher darum, an den Erzieher:innen herumzuerziehen und das Beste für ihr Kind herauszuholen. Heute würde man sie Helikopter-Eltern nennen. Sicher, jedes Kind ist einzigartig, aber es soll doch auch Empathie entwickeln, um mitzubekommen, was um es herum los ist, und auf diesem Weg ein Teil der Gesellschaft werden.« Manuela Stuhlsatz wollte nicht, dass ihr Kind zwischen Ellbogen groß wird, und so reifte die Idee, eine Kita mit Begegnungsstätte zu gründen. Einen Ort, an dem Familien und Mitarbeitende gemeinsam gestalten und frühzeitig insbesondere niedrigschwellige Hilfsangebote gemacht werden können.
Augenhöhe statt Standesdünkel
Es sollte eine Einrichtung sein, in der sich die Erzieher:innen einbringen können, statt Handlanger der Eltern zu sein. Macht und Geld sollten nicht nach oben verschoben, sondern in die Breite verteilt werden. Es sollte klare Strukturen geben, vielleicht einen Verein und auch eine Geschäftsführung. Aber eine ganz flache. Als sie mit Gleichgesinnten eine Kita und einen Elterntreff startete, hätte sie nicht für möglich gehalten, dass das der Anfang von dem sein könnte, was heute Menschenskinder ausmacht. »Der Weg dahin war ein Lernprozess. Ich wusste, was ich nicht wollte ... aber nicht, wie das im Detail funktionieren kann, und ich hatte dafür auch nicht wirklich Vorbilder. Ich wusste, dass demokratisches Leiten und Führen Miteinander-Gehen bedeutet, und dass sich das gut anfühlt, und das meine ich nicht naiv, sondern sehr realitätsnah. Das kann nämlich auch bedeuten, darüber zu streiten, was ich zulassen kann und was nicht, und auch mal über meinen Tellerrand zu schauen. Beim Ausloten des eigenen Spielraums spielt ja immer auch unsere Sozialisation mit rein. Lernen musste ich, dass man sich, wenn auch Mediation und Supervision nichts bringen, bei grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten voneinander trennen sollte. Das war für mich die wohl größte Herausforderung auf dem Weg. Aber dafür haben wir jetzt auch wirklich ein wunderbares Team mit Herz und Verstand.« Am Ende, so resümiert sie, gehe es ja um die Frage, was braucht ein Kind und was braucht seine Familie, um sich gut entwickeln zu können. Die Antwort darauf könne man sich nur begrenzt anlesen. Wichtiger sei es, ein Gefühl dafür zu entwickeln und eine gemeinsame Haltung, »die wir bei all unseren individuellen Besonderheiten miteinander teilen. Unsere Haltung zeigt sich unter anderem daran, dass wir ressourcenorientiert denken und handeln und immer daran glauben, dass es Lösungen gibt, und nicht zuletzt an unserer positiven Grundstimmung.«
Wie wollen wir leben?
Vielleicht ist es diese positive Grundstimmung, die uns auf der Runde durch die Räume der Kita und des Familienzentrums mit Eva Messlin und Katharina Frass das Gefühl gibt, dass hier ein guter Ort ist. Ein Ort, an dem man sein darf, wie man ist, und an dem es sich gut leben, lernen und spielen lässt. Hier und dort entdecken wir Inseln mit Kindern, die sich auf dem Sofa eines lichtdurchfluteten Ganges um die Erzieherin mit dem Vorlesebuch herumkuscheln, an einem kleinen Podest mit Magneten experimentieren oder sich in der »Juten Stube« tummeln. Die gemütlich eingerichtete Wohnküche erinnert an alte Zeiten in der Student:innen- WG oder eben an die gute Stube bei der Oma – hier allerdings ohne die Student:innen und ohne die Oma. Es scheint sich zu verströmen, das Leben in den Räumen der Menschenskinder, es plätschert und plaudert, und wir bemerken den Unterschied zwischen »Kindern einen Raum geben« und »Kindern Raum geben«. Die von Manuela Stuhlsatz und ihrem Team gelebte positive Grundstimmung kommt bei den Kindern an – und auch bei uns. Was vor rund 25 Jahren anfing, hat Gestalt angenommen. Das Projekt ist gesund gewachsen. Mit beiden Ohren am Bedarf kleiner und großer Menschen. »Das ist für uns gelebte Partizipation. Wir können nicht Demokratie leben, wenn wir nicht partizipieren lassen.
Katharina Frass ist Erziehungswissenschaftlerin und Dozentin für pädagogische Fachkräfte als Beraterin für den Early Excellence-Ansatz. Seit 2012 leitet sie das Familienzentrum Menschenskinder. Ihre Leidenschaft für ressourcenorientiertes Denken und Handeln teilt sie mit der Dipl. Pädagogin, Erzieherin und Leitung der Kita Menschenskinder seit 2010, Eva Messlin. Zusammen mit der Geschäftsführerin Manuela Stuhlsatz und 40 weiteren Mitarbeiter:innen halten sie Tag für Tag eine weit über Berlin-Friedrichshain hinaus sichtbare Fahne gelebter Demokratie, Teilhabe und Solidarität hoch und belegten dafür 2018 sogar den 2. Platz beim Deutschen Kita-Preis. Wer Freude daran hat, sich einzubringen und auf Neues einzulassen, Dinge auszuhandeln und voneinander zu lernen, ist herzlich eingeladen, die Stellenanzeigen auf www.menschenskinder-berlin.eu zu lesen oder einfach unter der Telefonnummer 030/235 999 610 anzurufen.
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Diesen Beitrag können Sie vollständig neben weiteren interessanten Beiträgen in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 03-04/2023 lesen.