In die Tiefe graben
Ein Boden, ob von Wiese, Acker oder Wald, wird von uns im Allgemeinen als etwas sehr Selbstverständliches wahrgenommen. Über seine Entstehung und seine Eigenschaften machen wir uns selten Gedanken, obwohl er – abgesehen von anderen Eigenschaften für unser Leben – eine wesentliche Voraussetzung für den jeweiligen Pflanzenwuchs und die sich dort entwickelnde Lebensgemeinschaft von Pflanzen und Tieren bildet. Es ist für Kinder eine spannende und nicht zu unterschätzende Herausforderung, diesen Bereich einmal durch eigene, gezielte Grabungen genauer zu erforschen.
Der Reiz des Unzugänglichen
Kinder lieben es, Löcher zu graben – ob im Spielsand oder an einem Hügel, mitten in der Rasenfläche und sogar zwischen Sträuchern und Bäumen, obwohl Wurzeln die Arbeit dort manchmal sehr erschweren. Nicht selten hat es den Anschein, als wäre die Tätigkeit selbst das Ziel und der Lohn für die Mühe läge bereits in der Anstrengung.
Die eigene Körperkraft für ein sichtbares Ergebnis einsetzen zu können macht sicherlich einen großen Teil der Faszination von solchen Grabungen aus. Aber es geht meist auch um die Lust, in eine unbekannte, unzugängliche Welt vorzudringen, etwas Überraschendes aufzuspüren und vielleicht sogar Unvorstellbares zu entdecken. Dass Kinder dabei nicht selten gegen »Gartenregeln« verstoßen, macht die Sache natürlich erst recht spannend: Wenn schon das Graben von Löchern verboten oder zumindest eingeschränkt wird, steckt doch was dahinter (darunter) ...
Aber diese bei Kindern so beliebte Aktivität sollten wir weder als banal noch als ärgerliche »Gartenstörung« ansehen, sondern darin vielmehr einen Impuls erkennen, der etliche interessante und weiterführende Aspekte besitzt. Mag bei jüngeren Kindern noch – meist im Spielsand – das Graben an sich im Vordergrund stehen, so erfassen ältere Kinder zunehmend komplexe Eigenschaften des Bodens, den sie aufgraben. Damit meine ich physikalische Eigenschaften eines Bodens aufgrund seiner Entstehung und Zusammensetzung, seine Durchwurzelung und das Vorkommen bestimmter Bodenlebewesen bis hin zu Fragen von Feuchtigkeit und Geruch. An manchen Stellen lassen sich auch menschliche Artefakte aufspüren: Ziegel und andere Baustoffreste, eine alte Münze, längst verloren geglaubte Spielsachen etc.
Eine gemeinsame Grabung zur Erforschung des Bodens
Ein kleines Boden-Forschungsprojekt könnte zum Ziel haben, mit Kindern eine gemeinsame Grabung zu organisieren. Das kann, muss aber nicht im Außengelände der Kita sein. Auch im Rahmen eines Tagesausflugs in die nähere Umgebung lässt sich sicherlich ein geeigneter Platz für ein solches Vorhaben finden. Im Einzelfall sollte man vielleicht vorab den Besitzer des Grundstücks um sein Einverständnis fragen.
Da es sich letztlich aber um eine verhältnismäßig kleine Grabung handeln wird – die zudem nach der Arbeit wieder zugeschüttet wird – dürfte dieser Aufwand meist unnötig sein. Es liegt an den örtlichen Gegebenheiten, ob Sie die Kinder an einer oder mehreren Stellen graben lassen, ob eine bestimmte Tiefe vereinbart wird – beispielsweise 60 oder 100 Zentimeter), ob es beim Graben mehrerer Löcher vielleicht auch mal um eine Art Wettkampf gehen könnte (Welche Gruppe hat zuerst die genannte Tiefe erreicht?), oder ob es um ein »richtiges Forschungsprojekt« gehen soll, bei dem die Kinder etwas über die Besonderheit des jeweiligen Bodens herausfinden sollen: Bodenart, Bodenprofil, Bodenlebewesen etc.
In diesem Fall sollten Kleintiere, auf die die Kinder bei ihrer Grabung stoßen, vorübergehend in kleine Behälter gegeben werden, um sie mit Hilfe von Lupen und Bestimmungsbüchern genauer betrachten und vielleicht sogar bestimmen zu können.
Herbert Österreicher ist Diplom-Ingenieur und Magister Artium. Er plant und gestaltet Außenanlagen und Gärten von Kindereinrichtungen. Darüber hinaus führt er Seminare und Exkursionen zu verschiedenen Bereichen der Umweltbildung durch und ist als Autor für Fachzeitschriften und Verlage tätig.
Weitere Informationen unter: www.kinderfreiland.de
Den vollständigen Beitrag und weitere Artikel zum Thema können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 09-10/2021 lesen.