Annäherung an ein faszinierendes Lichtphänomen
Das Sonnenlicht, Quelle vielfältiger Erscheinungen und Wirkungen, ist auch Ursache für die Entstehung eines Regenbogens. Die zweite Zutat ist Wasser in Form unzähliger Tropfen. Es braucht dazu aber noch ein Drittes, nämlich den Beobachter, dessen Sehsinn diese Himmelserscheinung aufnehmen kann. Damit stellt ein Regenbogen eines jener eigenartigen Phänomene dar, die im Grunde nur existieren, wenn sie wahrgenommen werden. Diese Besonderheit der individuellen Wahrnehmung hat schon Georg Christoph Lichtenberg1 sehr pointiert beschrieben: »Wir sehen, ein jeder, nicht bloß einen andern Regenbogen, sondern ein jeder einen andern Gegenstand und jeder einen andern Satz als der andere.«
Überraschende, ungreifbare, frei schwebende Farbenpracht
Ein Regenbogen kommt im Grunde immer überraschend, denn die Bedingungen, die dazu führen, dass wir ihn sehen können, hängen von verschiedenen Faktoren ab, deren Zusammenspiel nicht planbar ist. Diese Unvorhersehbarkeit und die mitunter erstaunlich starke Leuchtkraft sind sicherlich wesentliche Gründe, weshalb dieser Himmelshalbkreis aus Spektralfarben Fantasie und Glaubensvorstellungen der Menschen seit frühesten Zeiten beschäftigt. So bedeutete ein Regenbogen in vielen alten Kulturen eine Brücke zwischen Himmel und Erde. Das konnte ein Pfad sein, über den die Seelen der Verstorbenen in eine höhere Welt gelangen, oder Symbol einer Verbindung zwischen Göttern und Menschen. Sein Erscheinen hat stets etwas Geheimnisvolles, denn auch wenn wir auf ihn zugehen können, so werden wir ihn nie erreichen und niemals unter ihm hindurchgehen können.
Aber auch für die sich in den letzten Jahrhunderten entwickelnden Naturwissenschaften bot dieses Himmelsphänomen vielfache Anregungen. Die Geschichte der Erforschung der zugrunde liegenden optischen Gesetzmäßigkeiten und Effekte ist lang und voll spannender Details.2 Die Zerlegung des Sonnenlichts in seine Spektralfarben ist – physikalisch betrachtet – der wichtigste Aspekt eines Regenbogens. Dabei wird das sichtbare (weiße) Sonnenlicht in Wassertropfen zerlegt beziehungsweise so aufgespalten, dass wir statt des weißen Lichts verschiedene Farben sehen. Weil die Lichtfarben dabei je nach ihrer Wellenlänge unterschiedlich stark gebrochen werden, zeigt sich ein Farbband von violett über indigo, blau, grün, gelb, orange und rot. Beim Regenbogen stehen diese Farben – von innen nach außen – stets in derselben Reihenfolge, wobei sich die Farben nicht immer exakt erkennen und benennen lassen, da sie ineinander übergehen und Mischtöne entstehen. Wenn wir also von sieben Regenbogenfarben sprechen, entspricht das eher einem Wunschdenken als einer sorgfältigen Farbanalyse. In der Regel sind jedoch mindestens drei vorherrschende Farbtöne gut unterscheidbar, und Kinder, die sich häufiger mit den Farben eines Regenbogens auseinandersetzen, können mitunter sehr zielsicher auch die richtige Reihenfolge der Farbtöne angeben.
So kann es gemacht werden
Bevor wir mit den Kindern über Einzelheiten und Besonderheiten des Regenbogens sprechen, unterhalten wir uns mit ihnen über ihre eigenen Erfahrungen und Beobachtungen. Fast alle Kinder haben schon einmal einen Regenbogen gesehen, und »Regenbogenfarben« kennen sie häufig auch von Bildern, Büchern, Kleidungsstücken und anderem. Nachdem einige der Kinder ihre Erinnerungen an einen bestimmten Regenbogen geschildert haben, bitte ich alle, einen Regenbogen zu malen – entweder nach ihrer Erinnerung oder nach der Vorstellung, die sie sich während des Gesprächs gemacht haben. Anschließend schauen wir uns gemeinsam die verschiedenen Bilder an und sprechen über die Schwierigkeiten, die sich bei der Bestimmung der exakten Farben sowie der Größe eines Regenbogens ergeben.
In der Diskussion über die Rolle des Lichts bei der Entstehung von Regenbögen kommen wir zum zweiten Teil unserer Thematik, nämlich der Frage, wie es überhaupt zu diesen unterschiedlichen Farben kommt. Versuche mit Glasprismen, die die Kinder jeweils selbst durchführen können, zeigen gut die Aufspaltung des (weißen) Sonnenlichts in entsprechende Farbbänder und -flecken.
Abschließend kehren wir nochmals zum Regenbogen selbst zurück. Diesmal setzen wir einen Gartenschlauch ein, und die Kinder können im Garten selbst probieren, einen möglichst stark leuchtenden Regenbogen herzustellen. Die zuvor nur diskutierte Frage, wo sich dabei die Sonne befinden muss beziehungsweise wie der Sonnenstand, der Sprühnebel des Wassers und die eigene Blickrichtung »zusammenspielen« müssen, um überhaupt einen Regenbogen sehen zu können, erweist sich in der Praxis als gar nicht so selbstverständlich. Es dauert ein bisschen, bis alle »ihren« Regenbogen sehen...
Herbert Österreicher ist Diplom-Ingenieur und Magister Artium. Er plant und gestaltet Außenanlagen und Gärten von Kindereinrichtungen. Darüber hinaus führt er Seminare und Exkursionen zu verschiedenen Bereichen der Umweltbildung durch und ist als Autor für Fachzeitschriften und Verlage tätig. Weitere Informationen finden Sie unter: www.kinderfreiland.de
1 Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799) war akademischer Lehrer für Mathematik und Physik in Göttingen und einer der originellsten, geistreichsten und vielseitigsten Denker der Aufklärung in Deutschland. Dennoch war er hinsichtlich der Erfolge der Aufklärung nicht allzu optimistisch: »Man spricht viel von Aufklärung, und wünscht mehr Licht. Mein Gott was hilft aber alles Licht, wenn die Leute entweder keine Augen haben, oder die, die sie haben, vorsätzlich verschließen?«
2 Eine sehr informative und gut lesbare Darstellung des Phänomens »Regenbogen« einschließlich der Geschichte seiner Erforschung findet sich bei: Arthur Zajonc (1994). Die gemeinsa-me Geschichte von Licht und Bewusstsein.
Den vollständigen Beitrag und weitere Artikel zum Thema können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 03-04/2020 lesen.