Ein Projekt zur Öffnung des Unterrichts
Im Projekt »Auf Wolke 7« gestalten Grundschüler der Klassenstufen eins und vier zusammen mit Gästen unter freiem Himmel eine Wolkeninstallation – und öffnen dabei die Sinne für neue freie Erfahrungen.
Raus aus dem Schulalltag! Im Freispielbereich nahe des Schulgartens einer Kölner Grundschule fand unter einer Baumgruppe das Kunst-Projekt »Auf Wolke 7« an einem Projekttag des Grünen Klassenzimmers statt. Spielt das Wetter mit? Und auch die Erwachsenen, ohne zu dominieren? Können Kinder und Erwachsene voneinander lernen? »Sich öffnen« heißt auch, sich auf Unbekanntes, Unplanbares einzulassen … Wind und Wolken, Duft der Blumen, Bäume und Wiesen öffneten allen Beteiligten die Sinne.
Auch die Zusammensetzung der Teilnehmer war ungewöhnlich und ein Experiment. Als soziale Interaktion waren Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit mit Gästen, Lehrern, Eltern und Künstlern geplant. Durch das Spannungsfeld von Jung und Alt, bekannten und neuen Gesichtern wurde soziale Kreativität entzündet. Und das Projekt wurde eines voller Überraschungen.
Die Umsetzung des Projektes
Die Gemeinschaftsgrundschule Ricarda-Huch-Straße in Köln Stammheim war offen für diese Überraschungen. Das Projekt »Auf Wolke 7«, das dort mit Erstklässlern, ihren Paten aus der vierten Klasse, Eltern, Großeltern, Künstlern und Lehrern durchgeführt wurde, war folgendermaßen aufgebaut:
Schritt 1. Vom Sehen zum Wahrnehmen: Das Wolkenratespiel
Als Vorübung zum Wolkengucken im Freien war eine Übung vorgeschaltet, die dazu diente, die Wahrnehmungsfähigkeit zu trainieren und festzustellen, ob alle Kinder ein dafür ausgeprägtes Potential besitzen. Im Stuhlkreis wurden Papierfetzen, Papierknäuel und ausgeschnittene freie Formen gezeigt. Alle Teilnehmenden rieten, was diese »Wolkenformen« darstellen könnten. Schnell ergaben sich Assoziationen – eine Schnecke, ein Haus, usw. Das Spiel wurde so lange gespielt, bis alle Teilnehmer zwei bis drei Mal ein Bild erkannt hatten. Das diente auch der Feststellung, welche Kinder damit Schwierigkeiten haben.
Hintergrund: Damit Kinder Wolkengebilde ohne Schablonen, Vorlagen, fertige Schemata oder frühe kindliche Lösungen selbst umsetzen können, müssen die Beobachtungsgabe und das intensive Sehen geschärft werden. Denn Wahrnehmen ist die Grundlage für individuelle Bildlösungen. Eindrücke über die Sinne, hier das Sehen, sind ein erster Schritt im methodischen Prozess zum persönlichen Ausdruck.
Material: Künstlich nachgestaltete Wolkenformationen in Form von Papierfetzen, Papierknäuel oder ausgeschnittenen Formen.
Schritt 2. Wahrnehmungsphänomene: Das Wolkengucken im Freien
Im freien Schulgelände, dem grünen Klassenzimmer, war der Wolkenhimmel gut sichtbar. Mit Beobachtungshilfen, wie dem Motivsucher, den Papprollen und den transparenten Rahmen, erforschten die Kinder und Erwachsenen nun den Himmel. Schnell entdeckten sie detaillierte Bildmotive in den Wolken, die zum Aha-Erlebnis wurden: »Da ist ein Gesicht!«, »Ein Hund!«, »Ein Drache … jetzt wird er zum Kätzchen!« Der zündende Funke war übergesprungen. Das ganzheitliche Naturerlebnis aktivierte alle Sinne.
Hintergrund: Wie kommt es so plötzlich zu diesen Umdeutungen? Um welche Wahrnehmungsvorgänge handelt es sich? Der Sinnesreiz im Auge wird an das Gehirn weitergeleitet und dort verarbeitet und gespeichert. Das Gehirn vergleicht den aktuellen Reiz mit zuvor Erlebtem und gelangt so zu einer plötzlichen Sinngebung, dem Deuten. Diese Sinngebung ist für den Betrachtenden eine Orientierung, weil dadurch Unbekanntes in den persönlichen Erfahrungshintergrund eingeordnet werden kann. In der Wahrnehmungspsychologie spricht man von »dem Prinzip der Emergenz«. Das lateinische Verb emergere bedeutet »auftauchen«, »herauskommen« oder »emporsteigen«. Es ist wie ein kreatives Neuerschaffen im Gehirn.
Material: Motivsucher, Papprollen, transparente Rahmen.
Schritt 3. Die Bilder im Kopf ausgestalten: Transparente Bügelobjekte
In Einzelarbeit klebten die Teilnehmenden Wolkenbilder aus Watte auf vorbereitete transparente Metallbügelquadrate. Sie näherten sich zunächst dem Material durch Fühlen, Tasten und Begreifen, suchten dann »ihr Material« aus und setzten damit ihre Vorstellungen eines Wolkenbildes um.
Hintergrund: Transparente Materialien sind für die Kinder neu. Sie entzünden Fantasie und Einbildungskraft. Sehr sinnliche, haptische Materialien wie Watte, Seidenpapier und Farbe in großen Flaschen (nicht klein wie im Malkasten) haben Aufforderungscharakter. Andere Materialien sind für das künstlerische Gestalten neu, wie z.B. die Kleiderbügel. Man kennt sie aus dem Alltag in anderen Zusammenhängen. Sie wecken die Neugierde der Teilnehmenden und auch deren Aufmerksamkeit.
Vorbereitung: Arbeitstische, Materialtische und die bespannten Drahtbügel wurden im Vorfeld bereits vorbereitet. Für die Drahtbügel wurden die Kleiderbügel aus Draht am Haken festgehalten und nach unten gezogen, so dass ein offenes Quadrat oder eine Drachenform entstand. Diese Form wurde mit Haushaltsfolie bespannt. Im Garten wa-ren zwischen den Bäumen Wäscheleinen aufgespannt, an die die fertigen Bügelobjekte mit ihrem Haken gehängt wurden.
Material: Drahtbügel, Haushaltsfolie, Watte, Transparentpapiere, Wäscheleine, Klebstoff (schnell klebend), Tesafilm, Kinderscheren, Abdeckfolie, Lappen, Wäscheleine.
Buchtipp
Wolken gibt es überall. Sie verstecken sich im Bad, im Wald, am See, in Omas Dauerwellen oder in Haferflockenplätzchen ... Sie sind Ursprung vieler Mythen und Märchen, haben Künstler inspiriert und die Neugier von Forschern geweckt.
Dieses Buch, Teil der Reihe »Weltwissen anfassen«, verbindet die spielerische Lust junger Kinder am Entdecken der Welt mit den geheimnisvollen Phänomenen der Wolken in Naturwissenschaft, Technik, Kultur, Kunst ... und eröffnet Erzieherinnen, Lehrerinnen und Familien wunderbare Zugänge zum elementaren Wissen der Welt.
Margarete Rettkowski-Felten, Michaela Jordan
Auf Wolke 7
Das Wolkenbuch für Kindergarten, Hort und Grundschule
80 Seiten, mit vielen farbigen Fotos und einem Wolken-Poster zum Herausnehmen
ISBN 978-3-937785-95-0
Euro 19,90
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Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 01-02/15 lesen.