Mit Kindern philosophieren
Als begabungsfördernden Baustein der Selbstbildung im Elementarbereich bietet die Kindheitspädagogin Astrid Gipp seit einigen Jahren vier- bis sechsjährigen Kindern aus ihrer Kita an, gemeinsam zu philosophieren. Im Gespräch mit Erika Berthold erzählt sie, was die Kinder interessiert und worum es in den Gesprächen geht.
Wie kamen Sie auf die Idee, mit Kindern zu philosophieren?
In der Weiterbildung zur Begabtenpädagogin legte meine Professorin Mandy Fuchs mir das nahe und sagte: »Sie sprechen doch gern und lassen andere zu Wort kommen. Vielleicht wäre das Thema ›Philosophieren‹ etwas für Sie?« Also versuchte ich es, schon um herauszufinden, ob ich es kann, und entwickelte ein Konzept – nach dem Motto: Erst die Theorie, dann die Praxis.
Beschreiben Sie das Konzept bitte kurz.
Es enthält Aspekte wie: Was macht Philosophieren mit Kindern aus? Welche Fragestellungen sind sinnvoll? Welche Rahmenbedingungen sind nötig? Welche Eigenschaften und Ideen sollte die pädagogische Fachkraft mitbringen?
Im Alltag sieht das so aus: Ich lasse die Kinder zu Wort kommen und provoziere sie mit meinen Fragen, weiterzudenken. Günstig sind kleine Gruppen, nicht mehr als acht oder neun Kinder. Und sie müssen Spaß an der Sache haben.
In unserer Kita läuft dieses Angebot unter »Begabungsförderung«. Sprachlich besonders begabte Kinder kommen in unsere Runde und Kinder, die in ihrer kognitiven Entwicklung weiter als andere sind.
Kann man nicht eigentlich mit allen Kinder, die sprechen und sich ein Weilchen konzentrieren können, philosophieren?
Natürlich kann man das. Und es wäre auch schön. Aber der zeitliche Rahmen gibt es bei uns nicht her. Ich mache dieses Angebot ein Mal in der Woche und für eine Stunde. Selbst das ist im Dienstplan nicht immer leicht unterzubringen. Manchmal muss ich sagen: »Tut mir leid, diese Woche klappt es nicht.«
Worum geht es beim Philosophieren? Sicherlich nicht um Schopenhauer und Kant.
Es geht um Themen der Kinder. Meine Einstiegsfrage ist: »Gibt es etwas, das du immer schon gern wissen wolltest?«
Was sagen die Kinder dann?
Zum Beispiel fragte neulich ein Junge: »Können Roboter glücklich sein?« Ich: »Ups?« Das ist übrigens eine sehr günstige pädagogische Reaktion: Sich unwissend stellen, um die Kinder zu provozieren, ihre Ideen hervorzulocken.
Ich vermute, Kinder merken, dass Erwachsene nur so tun, als wüssten sie etwas nicht.
Ja, das kriegen sie ganz genau mit.
Warum stellen Sie sich dann unwissend? Hätten Sie denn gewusst, ob Roboter glücklich sein können?
Ein Roboter ist für mich eine Maschine. Deshalb weiß ich, dass er nicht glücklich sein kann. Bei anderen Fragen weiß ich die Antwort nicht oder bin mir zumindest nicht sicher. Außerdem: Die Vorschulkinder kennen mich jetzt schon ein paar Jahre. Sie wissen, dass ich ein humorvoller Mensch bin. Stelle ich mich unwissend, erkennen sie, dass ich ein bisschen provozieren will.
Jedenfalls sammelten wir Antwort-Ideen, und ein Mädchen sagte: »Meine Oma arbeitet in der Druckerei. Da gibt es ganz viele Roboter.« Wir baten das Mädchen, nachzufragen, ob wir uns die Druckerei mal ansehen und die Fachleute dort fragen können.
Bleiben wir mal bei den Robotern. Wenn ein Kind diese Frage hat, hat es ja vielleicht auch Ideen, wie man sie beantworten könnte. »Was meinst du?« hätten Sie den Jungen fragen können, noch bevor die Fachleute in der Druckerei zu Wort kommen.
Das habe ich bei der Vorbereitung des Druckereibesuchs auch getan. Wir philosophierten bereits im Vorfeld und sammelten dabei aufkommende Fragen, die die Kinder aufmalten. Ich schrieb sie in Großbuchstaben dazu, denn einige können schon lesen. Zum Beispiel: »Sind Roboter Computer? Oder sind Computer Roboter?« Schwierige Fragen. Als wir die Druckerei verließen, standen einige Fachmänner immer noch da und diskutierten darüber. Manchmal kommen wir auch vom Thema ab...
Astrid Gipp ist gelernte Krippenerzieherin, staatlich anerkannte Erzieherin und Heilerzieherin. Von 2009 bis 2012 absolvierte sie ein Bachelorstudium zur Kindheitspädagogin und bildete sich parallel zur Begabtenpädagogin weiter. Sie arbeitet als Heilerzieherin in der integrativen Kita »Ökolino« in Neubrandenburg und ist mit einer Kollegin für eine altersgemischte Integrationsgruppe verantwortlich.
Die Integrative Kita »Ökolino«, deren Träger die Jugend- und Sozialwerk gGmbH Oranienburg ist, besuchen 120 Kinder von null bis sieben Jahren. Das Team arbeitet nach dem situationsorientierten Ansatz. In der Kita gibt es drei integrative Gruppen.
Kontakt
Integrative Kita »Ökolino«
Birkenstr. 19
17033 Neubrandenburg
Telefon: 0395/3698136
Fax: 0395/3511990
www.philosophieren-mit-kindern.de
Die Philosophierwerkstatt bietet einen Einblick in das Thema und vermittelt praktische Anregungen sowie Themen unter > Aus der Praxis. In der Rubrik > Bilderbücher werden Bücher für das Philosophieren mit Kindern vorgestellt.
www.kinder-philosophieren.de
Die »Akademie Kinder philosophieren« bietet Fortbildungen für pädagogische Fachkräfte an. Sie arbeitet an der Weiterentwicklung und Verankerung des Philosophierens als Bildungs- und Erziehungsprinzip in Kindertageseinrichtungen und Schulen sowie in der Ausbildung von Lehrkräften und pädagogischen Fachkräften.
www.diekleinendenker.de
Die kleinen Denker, das sind junge und ältere Kinder, mit denen Pädagogen und Wissenschaftler philosophieren – sei es an Schulen oder im außerschulischen Bereich. Außerdem sind die kleinen Denker ein Verein, der das Philosophieren mit Kindern und Jugendlichen in Berlin und Brandenburg fördern will. Neben Kinderkursen bietet der Verein Fortbildungen für Erzieherinnen, Pädagogen und interessierte Philosophen an.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 06-07/14 lesen.