Ein Lernfeld für Studierende der Frühkindlichen Bildung
Teil 1: Der Schwamm
Es gibt kaum einem Gegenstand, an dem sich das entscheidende Zusammenspiel von sinnenreichem Erleben und reflektierendem Denken, das einer ästhetischen Erfahrung zu Grunde liegt, nicht aktivieren lässt – vorausgesetzt, die wahrnehmungsoffene, produktive Begegnung wird zugelassen und herausgefordert. Kinder für erkundende Manipulationen an und mit den Dingen der Welt zu begeistern, ungewöhnliche Zugriffsweisen durch positive Resonanz und durch variantenreiche Darstellungen zu bereichern, das sind Fähigkeiten, die Frühpädagogen im Laufe ihrer Ausbildung erwerben und als Grundlegung einer schöpferischer Weltzuwendung verstehen und praktizieren sollten. Prof. Dr. Petra Kathke beschreibt, wie das gelingen kann.
Unter welchen Bedingungen kommt offenen Gestaltungsangeboten ohne zwanghafte Produktorientierung Sinn und Bedeutung zu? Neben der positiven Verstärkung des explorativen Verhaltens und der Wertschätzung kindlicher Ausdrucksweisen durch fördernde verbale Rückmeldung besteht die Möglichkeit, ein anregendes Materialangebot so zusammenzustellen, dass es Kinder über die sinnliche Faszination zum gestaltenden Erkunden und zu eigensinnigen Handhabungen inspiriert.
Im kunstpädagogischen Verständnis liegt ein Reiz eines solchen Arrangements darin, unspektakulär erscheinende Dinge auf faszinierende Weise so zu präsentieren, dass sie einen spezifischen Aufforderungscharakter erhalten. Denn sein Potenzial für ästhetisch-künstlerisches Lernen entfaltet das Alltägliche nicht immer von selbst. Deshalb interessiert, auf welche Weise sich genau diese Art der Zuwendung bei der Begegnung von Kindern mit Objekten ihrer Umwelt initiieren lässt.
Ästhetische Erkundungen herausfordern
Ohne auf Vorfabriziertes zurückzugreifen, haben Studierende der Frühkindlichen Bildung an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd genau das geübt. Sie wurden aufgefordert, Kindern ästhetische Erfahrungsräume zu gestalten. Durch eine Werkstatt im Kleinen sollten sie auf ansprechende Weise ästhetisch-künstlerische Auseinandersetzungen herausfordern und dabei zugleich Phänomene berücksichtigen, die im elementaren Sinn bedeutsam und exemplarisch sind. Da das Raumangebot allerorts begrenzt ist, wurde die Dimension des Erkundungsfeldes soweit reduziert, dass es in jedes Regal passt: Die Werkstatt entstand im Karton.
Für die Studierenden bestand der erste Schritt darin, ein den Kindern vertrautes Objekt zu wählen, das auch in der eigenen Erinnerung positiv besetzt ist. Dazu dienten Fragen wie:
- Was bedeutet mir der Gegenstand?
- Welche Erinnerungen verbinde ich mit ihm?
- Was fasziniert mich am Knopf, am Luftballon, an der Schnur, am Schuh, an einem Deckel, Stein oder Schlüssel?
- Was tun Kinder von sich aus, wenn sie so ein Objekt in die Hand nehmen?
Neben der gestaltenden Aktivität zu und mit diesem Objekt ist die phänomeno-logische Befragung – unser zweiter Schritt – ein probates Mittel, wenn es um das Hervorbringen unvoreingenommener Sichtweisen geht. Es handelt sich um eine erkenntnisreiche Zuwendung, die angesammeltes oder verfügbares Wissen zunächst ausklammert und eigene Erfahrungen aktiviert.
Wer sich einer Sache phänomenologisch nähert, kümmert sich zunächst nicht um objektiv gesicherte Fakten, er schaut nicht ins Fachbuch, durchsucht das Internet nicht, sondern nutzt seine Sinne, um im unmittelbaren Kontakt etwas über das Ding oder Phänomen in Erfahrung zu bringen. Der Versuch Sinnzusammenhänge über die eigene Wahrnehmungsfähigkeit zu ergründen und sie erst anschließend mit vorgedachten Erkenntnissen abzugleichen, bietet Chancen, individuelle Bezüge zu knüpfen und Unerwartetes zu entdecken. Stellt jemand sich selbst Fragen und geht ihnen nach, bevor er eine belehrende und allgemein akzeptierte Sichtweise übernimmt, wird sein eigenständiges Denken, Handeln und Schlussfolgern gestärkt.
Letztlich spiegelt die auch von Künstlern praktizierte unvoreingenommene Zuwendung die Art wider, wie Kinder sich ihre Umwelt erschließen.1 Indem man sich dumm stellt und Dinge »wie ein Marsmensch« betrachtet, so hat es der Künstler Claes Oldenburg einmal formuliert, oder indem man sie dem Ratschlag Antoni Tapies folgend »wie ein Forscher in einem Labor« ansieht, kommt man nicht nur kindlichen Verhaltensmustern auf die Spur, sondern aktiviert schöpferisches Tun als Möglichkeit ästhetischer Welterkundung.
Das forschende und gestaltende Manipulieren, das Sammeln und Recherchieren all dessen, was den Gegenstand für die sinnliche Erkundung der Kinder interessant macht, war der dritte Schritt. Zugleich galt es Darbietungsformen mit und für die Dinge zu entwickeln, die selbstbestimmte Zugriffe herausfordern, ohne sich in konkreten Anleitungen zu verengen. Auch nach korrespondierenden Materialien, die erkundende, Gestalt gebende Aktivitäten auslösen, wurde gesucht.
1 Bree 2010
www.spongebob.de
Auch wenn nicht alle Elementarpädagoginnen begeistert sind – diesen Schwamm kennen und lieben viele Kinder.
www.flickr.com
Bilder – zum Beispiel für Projekte in Kindergarten oder Grundschule – von Schwämmen jeglicher Art finden sich über die Eingabe »Sponge« oder »Schwamm« in die Suchmaske. Achtung: Bitte die Flickr Community-Richtlinien beachten.
www.kindermeer.de
Hier finden Sie die Kinderseiten des Deutschen Meeresmuseums. Über die Links oben geht es zum Meeresmuseum, zum Natureum, Nautineum und Ozeaneum.
www.wlw.de
»Wer liefert was?« ist eine Lieferanten-Suchmaschine, über die sich Hersteller von Schwämmen jeglicher Art finden lassen. »Schwämme« in die Suchmaske eingeben und anschließend spezifisch filtern. Vielleicht ist ein Hersteller in Ihrer Nähe dabei und zeigt Kindern den Herstellungsprozess von Schwämmen.
www.wdrmaus.de
Wenn der Kuchen angebrannt ist, braucht Christoph aus der »Sendung mit der Maus« einen Schwamm – und schon packt ihn die Neugierde. Woraus besteht ein Schwamm? Wie wird er hergestellt? Fragen, die in »Maus«-Sachgeschichten beantwortet werden. Durchklicken über > Sachgeschichten > A-Z Liste > »S« wählen > Seite »5« wählen > »Schwämme« (2009).