Zu den schönsten Momenten im Leben gehört der Beschluss, eine Erziehungspartnerschaft zu wagen. Das beginnt mit der knisternden Spannung beim Kennenlernen. »Wird die Kita ›Purzelbummi‹ sich für uns entscheiden?«, fragen sich die Eltern bang. »Ist er mein, dieser Fünfjährige mit intaktem Elternhaus und unsichtbarem, aber den Personalschlüssel hebenden Integrationsbedarf?«, fragt sich die Kita-Leiterin hoffnungsvoll.
Einer der wichtigsten Momente dieser jungen Beziehung ist der Elternabend, denn schließlich kommen sich die Erziehungspartner niemals so nahe wie in den intensiven Stunden der Erziehungs-Zweisamkeit, in denen es herauszufinden gilt, ob man – neben aller Gefühlsduselei – wirklich zusammenpasst. Das geht am besten, wenn man auch seine dunklen Seiten offen auslebt. Hier sind sie also, die ultimativen Gelingens-Tipps für jeden »Also, ich melde Wotan-Malte-Timberland sofort ab«-Elternabend.
Sorgen Sie für ein gemütliches Setting: Stellen Sie Kaffee bereit – echte Erzieherplörre, selbstgebrannt auf der Warmhalteplatte, platziert auf dem niedrigsten Tisch. Holen Sie die Stühlchen aus der Krippengruppe, auf dass elterliche Hinterteile es sich nicht zu bequem machen. Vermeiden Sie Lüftung und vergessen Sie die letzte Windel im Windeleimer. So, es kann losgehen!
Begrüßen Sie die Eltern mit ölig-altenheimgerechter Stimm-Modulation. Präsentieren Sie einen verschlungenen Ablauf verschiedenster Tagesordnungspunkte – mit einer Gründlichkeit, die jeden Punkt bereits komplett ausdifferenziert. Beobachten Sie, wie die nackte Angst vor einem endlosen Abend in die Augen der zuhörenden Eltern kriecht. Und dann fangen Sie ganz langsam an, über den Punkt aller Punkte zu sprechen: »Also, zur Situation in der Gruppe…«
Fordern Sie nun die Eltern – alle Eltern! – auf, heitere Angebote der Kindergruppe gemeinsam nachzuempfinden. Insistieren Sie darauf, dass auch scheue Mütter und verklemmte Väter mitwirken, wenn zu Volker Rosins Gesang im Kreisspiel Hände die der Nachbarn fassen, wenn Hüften und Hinterteile auf Kommando im Takt schwingen. Je entwürdigender, desto nachhaltiger!
Apropos Hüften und Po: Sich aneinander reiben, durch das Programm hecheln, nach dem Höhepunkt der gesellige Teil – das kennt man doch! Sprechen wir es offen aus: Elternabende sind in der Erziehungspartnerschaft das, was in anderen Partnerschaften »Sex« heißt. Verhalten Sie sich entsprechend. Zum Beispiel, indem Sie Ihren Erziehungspartnern rattenscharfe Namen geben. Darauf stehen die! Schon manche coole Oberschicht-Mum wurde bei dem Satz »Hier sind besonders unsere lieben Muttis gefragt« weich. Und wer gerät nicht in Ekstase, wenn er wirklich mal auf das Wesentliche reduziert wird: »Sie als Elternteil…«
Laden Sie die Eltern ein, sich mit ihren Stärken in die Einrichtung einzubringen. Vergessen Sie aber nicht, dass es unterschiedliche Eltern gibt, die jeweils besondere Stärken haben. Zum Glück sind es nur zwei Typen.
Der Elterntyp 1 ist meist an Rundungen in Brust- und Hüftbereich erkennbar. Ihn bitten Sie um folgende Unterstützung: zum Sommerfest einen Salat, Bouletten oder Heidelbeer-Erdnussbuttermuffins herstellen, Vorhänge nähen, bei der Betreuung einspringen und ein bisschen mehr auf die richtige Bekleidung an kühleren Tagen achten.
Elterntyp 2 hingegen weist meist Rundungen im Bauchbereich auf. Bitten Sie um folgende Unterstützung: den schweren Grill tragen, zusammenschrauben und bedienen. Die Gattin fragen, ob sie einen Salat, Bouletten oder Heidelbeer-Erdnussbuttermuffins herstellen, Vorhänge nähen, bei der Betreuung einspringen und ein bisschen mehr auf die richtige Bekleidung an kühleren Tagen achten würde.
Es gibt keine dummen Fragen. Von diesem Satz sind Sie als gute Pädagogin überzeugt und schämen sich deshalb auch nicht, die dümmste aller Fragen zu stellen. Nämlich: »Gibt es noch Fragen?«
Stellen Sie die Frage schon aus Höflichkeit oft, auch in ganz irdischen Zusammenhängen: »Wir haben einen neuen Ball. Gibt es dazu noch Fragen?« Schauen Sie danach suchend in die Runde. Warten Sie geduldig auf Fragen der Eltern, auch wenn dann Fragen kommen, derentwegen Sie über den Satz mit den dummen Fragen, die es nicht gäbe, noch einmal neu nachdenken müssten. Es könnte nämlich gefragt werden: »Wird der Ball etwa auch von den Beiträgen der Eltern bezahlt, deren Kinder nicht gern damit spielen? Enthält der neue Ball auch keine verdeckten Werbeaufdrucke, Pheromone oder anabole Steroide? Wären spezielle Mädchen-Jungs-Bälle im Gender-Sinne nicht sinnvoller? Warum war der alte, von Eltern gespendete Ball nicht mehr gut genug? Sollte ein moderner Kindergarten nicht auch Bälle in von unserer Gesellschaft schäbigerweise verpönten eckigen Formen anbieten?«
Achim Kniefel
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 10/12 lesen.