»Wenn die Laternen angehen, musst du zu Hause sein«, sagte meine Mutter früher, und der Satz klingt mir noch heute in den Ohren. Wenn die Laternen angehen, setzt die Dämmerung ein. Die Spiele mit den Nachbarskindern wurden dann aber erst richtig unterhaltsam. Nur noch fünf Minuten, nur noch ein Mal verstecken… Oft verlor ich den Kampf gegen meine Vernunft und folgte dem Sog des Spiels. Was war eigentlich an dieser Stimmung so eindrucksvoll, dass wir Kinder uns nicht trennen konnten?
Im Spiel, in der Bewegung nahmen wir wahr, dass sich die Farben in der Dämmerung verändern. Wir genossen diesen fließenden Übergang vom Tag zur Nacht besonders – er hielt viele optische Phänomene für uns bereit: die Lichtstreuung, den Sonnenstand, die Dauer des Untergangs der Sonnenscheibe – auch wenn wir sie zwischen all den Häusern in der Stadt nicht wirklich untergehen sahen. Schatten legten sich über unsere Spielorte, tiefe Schatten, doppelte Schatten, schräge Schatten – geheimnisvoll und märchenhaft. Oder zwei Schatten, der meiner Freundin und meiner, wenn wir uns unter der Laterne verabschiedeten.
Besonders eindrucksvoll fanden wir es, wenn die Farben der untergehenden Sonne leuchteten: Purpurlicht wurde von Nachtwolken verschluckt, glutrote Steifen verglommen. Erst heute weiß ich, dass es sich dabei um wolkenartige Ansammlungen von Eiskristallen oberhalb der Mesosphäre handelte.
Wenn wir Glück mit dem Wetter hatten, erlebten wir, dass Planeten sichtbar wurden, während die Himmelshelligkeit abnahm. Es gab immer ein paar Jungen, die die Venus oder den Jupiter erkennen konnten und uns damit beeindruckten.
Und dann erst der Mond! Ich glaubte an den Mann im Mond und sah in der bergigen Landschaft seine Wohnstatt. Mal erschien der Mond als dünne Sichel, dann wieder prall und satt.
Da die bürgerliche Dämmerung, so wird sie genannt, wie ich nachlas, etwa 39 Minuten dauert, ist mir heute klar, dass wir Kinder viel Zeit hatten, Phänomene und Himmelswunder in der Dämmerstunde zu studieren. Dabei spielte die Laterne eine Hauptrolle. Sie markierte den sicheren Heimweg, gab Orientierung, sorgte für die Zeiteinteilung und setzte Grenzen: Wenn sie angeht….
In unserer Straße waren die Gaslaternen besonders schön. Sie trugen guss-eiserne Schmuckelemente im klassizistischen Stil der Schinkel-Zeit, waren Treffpunkt am Tag und Ort für abendliche Abschiedszeremonien: Ich bring dich noch bis zur nächsten Laterne…
Dagmar Arzenbacher
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 01-02/11 lesen.
Besonders eindrucksvoll fanden wir es, wenn die Farben der untergehenden Sonne leuchteten: Purpurlicht wurde von Nachtwolken verschluckt, glutrote Steifen verglommen. Erst heute weiß ich, dass es sich dabei um wolkenartige Ansammlungen von Eiskristallen oberhalb der Mesosphäre handelte.
Wenn wir Glück mit dem Wetter hatten, erlebten wir, dass Planeten sichtbar wurden, während die Himmelshelligkeit abnahm. Es gab immer ein paar Jungen, die die Venus oder den Jupiter erkennen konnten und uns damit beeindruckten.
Und dann erst der Mond! Ich glaubte an den Mann im Mond und sah in der bergigen Landschaft seine Wohnstatt. Mal erschien der Mond als dünne Sichel, dann wieder prall und satt.
Da die bürgerliche Dämmerung, so wird sie genannt, wie ich nachlas, etwa 39 Minuten dauert, ist mir heute klar, dass wir Kinder viel Zeit hatten, Phänomene und Himmelswunder in der Dämmerstunde zu studieren. Dabei spielte die Laterne eine Hauptrolle. Sie markierte den sicheren Heimweg, gab Orientierung, sorgte für die Zeiteinteilung und setzte Grenzen: Wenn sie angeht….
In unserer Straße waren die Gaslaternen besonders schön. Sie trugen guss-eiserne Schmuckelemente im klassizistischen Stil der Schinkel-Zeit, waren Treffpunkt am Tag und Ort für abendliche Abschiedszeremonien: Ich bring dich noch bis zur nächsten Laterne…
Dagmar Arzenbacher
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 01-02/11 lesen.