Messy Play – unordentliche und schmutzige Spiele
Die Fortbildnerin Sibylle Haas lebte drei Monate lang in Neuseeland, hatte viele Kontakte mit Kolleginnen dort, besuchte zehn Kindergärten, drei Schulen und lernte einen Teil des neuseeländischen Bildungssystems kennen. In einer Beitragsserie, die in Heft 9/09 begann, berichtet sie über ihre Erlebnisse, richtet den Blick sozusagen vom anderen Ende der Welt auf die hiesige Bildungslandschaft und möchte neue Perspektiven eröffnen.
Wenn wir in Fortbildungsseminaren auf das Thema »Schmieren und Matschen« kommen, erinnern wir uns an die Phasen der psychosexuellen Entwicklung nach Sigmund Freud: Kleine Kinder entdecken ihre Körper und entwickeln dabei Lustgefühle – ein Grundbaustein für Selbstachtung und Selbstvertrauen. Im zweiten und dritten Lebensjahr beherrschen sie allmählich den Kontrollmechanismus, der ihnen ermöglicht, ihre Körperausscheidungen zurückzuhalten oder zu entlassen. Auch dieser spannungsvolle Zustand, die anale Phase, hat mit Lust zu tun.
Hierzulande fällt die Angelegenheit unter den Begriff »Sauberkeitserziehung«. Wie viel lustvolle Selbsterfahrung und wie viel Druck oder Fremdbestimmung dabei eine Rolle spielen, das mag jeder selbst einschätzen. Für kleine Kinder ist es auf jeden Fall aufregend und erstaunlich zu beobachten, wie sich die Nahrung verändert, die sie zu sich nehmen. Erst duftender Milchreis mit Kirschen, der das Hungergefühl vertreibt, und später die Zufriedenheit über eine braune Wurst im Töpfchen. Mindestens ein Mal muss man anfassen, riechen und staunen, bevor der Vorgang alltäglich wird und man weiß: Matschen macht Spaß, aber dazu kann man auch Sand und Wasser, Tapetenkleister und Puddingfarbe oder den umgekippten Kakao auf dem Tisch benutzen, bevor man ihn mit einem Schwamm wegwischt. Die Welt zu begreifen, das fängt beim eigenen Körper an.
Der kurze Ausflug in die Entwicklungspsychologie mag als Hintergrund für die Berichte und Lerngeschichten aus neuseeländischen Kindergärten dienen, die Sie nun zu diesem Thema lesen können. Ich denke, mit den Fotos sprechen sie für sich. Zum Schluss stelle ich Ihnen ein Informationsblatt für Eltern vor, in dem die Bedeutung nasser, matschiger und unordentlicher Spiele erläutert wird.
Schminken und Verkleiden
Katie, Kerri und Margaret, Erzieherinnen aus der Kita Clarks Beach, berichten: »Im Malatelier hatten wir einiges geändert: Die Materialien wurden so platziert, dass die Kinder sie selbstständig erreichen können. Wir wollten ihre Auswahl nicht beeinflussen und nicht eingreifen, wenn sie sich ausprobieren. Das hatte Auswirkungen: Die Kinder konnten mit dem Material rummanschen und alles Mögliche durcheinanderbringen. Also machten wir uns Gedanken über Matsch-Spiele, denn wir wollten erklären, wozu sie gut und wo sie erlaubt sind.
Schließlich begannen wir, Schminke und Farben zum Bemalen des Körpers einzuführen. Manche Kinder waren eifrig dabei, ihre Gesichter und Körper zu bemalen, andere waren nicht daran interessiert.«
Bei diesen Aktionen spürten die Jungen und Mädchen ihre Haut und nahmen die Veränderungen ihres Aussehens im Spiegel wahr. Sie halfen einander und lernten, vorsichtig miteinander umzugehen. So merkten sie: In eine andere Haut zu schlüpfen eröffnet neue Perspektiven.
Die Bemalung von Gesicht und Körper hat bei den Maori, den ersten Bewohnern Neuseelands, eine kulturelle Bedeutung: Tattoos bezeugten den Übergang ins Jugendalter, wurden zur Feier besonderer Ereignisse aufgetragen und waren Symbole für das Ansehen oder den Status eines Menschen.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 04/10 lesen.