In vielen Gärten, aber auch auf verwildertem Brachland, in Wäldern und auf Wiesen wachsen zahlreiche Nutzpflanzen, von denen wir nur wenige kennen, obwohl sie von unseren Vorfahren seit langem verwendet werden. Hinzu kommen mehr oder weniger viele Züchtungen dieser Pflanzenarten, die der Wildform mitunter kaum noch ähnlich sehen, aber aufgrund bestimmter Eigenschaften und Inhaltsstoffe für uns heute sehr wertvoll und wichtig sind. Herbert Österreicher stellt Nutzpflanzen vor, über die es Bemerkenswertes zu berichten gibt und die gerade auch für Kinder interessant sind. Die Serie begann in Heft 5/2009.
Unscheinbar und fast vergessen
An den Ufern von Bächen, in Gräben und an Quellen findet man gelegentlich eine Pflanze, die dichte, dunkelgrüne Bestände bildet. Obwohl sie nichts Spektakuläres an sich hat, zählte diese Pflanze bis vor gar nicht langer Zeit zu den beliebtesten Wildkräutern. Es ist die Brunnenkresse (Nasturtium), die in fast ganz Europa, Nordamerika und selbst in Nordafrika zu finden ist. Wie Kohl, Senf und zahlreiche andere Nutzpflanzen gehört sie zur Familie der Kreuzblütler. Sie liebt frisch-kühles, sauerstoffreiches und sauberes Wasser. Sonnig muss ihr Platz nicht sein – die Brunnenkresse ist genügsam. Aber wenn das Wasser zu stark verschmutzt ist, verschwindet sie. Deshalb ist sie auch eine Zeigerpflanze für gute bis sehr gute Wasserqualität.
Früher wurde die Brunnenkresse intensiv in spezialisierten Gärtnereien für den Schnitt und die Vermarktung als Salat- und Würzpflanze kultiviert. Vor allem Erfurter Gärtner machten sich damit einen Namen. Anfang des 18. Jahrhunderts entwickelte sich dort am Rand einer Quelle ein so ertragreicher Anbau, dass die Ernte nach Frankreich, in die Schweiz und in die Beneluxstaaten exportiert werden konnte. Anbaugebiet der Erfurter Gärtner war ein Gelände, auf dem die Brunnenkresse in langsam fließendem Quellwasser (»Philosophenquelle«) wuchs. Die gleichbleibend niedrige Temperatur des Wassers von 10 bis 12 Grad Celsius war für das Wachstum der Pflanze ebenso günstig wie die Tatsache, dass Quellwasser kaum Nährstoffe enthält. Die Brunnenkresse bezieht ihre Nahrung nämlich nicht nur über die Wurzeln, sondern auch direkt aus dem Wasser. Bei zu nährstoffreichem Wasser wächst sie anfangs zwar stärker, ist später aber umso anfälliger für Krankheiten und stirbt dann meist ab.
Geerntet wurde von September bis Mai – also in einer Zeit, in der es hierzulande wenig Frischgemüse gibt. Bevor Frischgemüse und Obst, insbesondere Zitrusfrüchte, massenhaft importiert wurden, war die Brunnenkresse eine wichtige Vitamin-C-Quelle.
Die Ernte war kein Vergnügen, denn das Kraut musste aus dem kalten, langsam fließenden Wasser gepflückt werden, oft bei Luft-Minustemperaturen. Heute gibt es in Erfurt nur noch ein kleines, unter Schutz gestelltes Brunnenkresse-Areal, weil der Grundwasserspiegel des Gebiets durch die Wasserentnahme aus benachbarten Tiefbrunnen so stark sank, dass die alte Quelle nur noch unregelmäßig wenig Wasser gibt.
In den letzten Jahren bemühte man sich jedoch, die Brunnenkresse als besonders wertvolle Salat- und Gewürzpflanze wieder bekannter zu machen. Sie wird nun in Töpfen angebaut, teils auf Spezialtischen, die mit kaltem, frischem Wasser geflutet werden, um den Lebensansprüchen der Pflanze gerecht zu werden.
Die Brunnenkresse trägt viele Namen. Je nach Region kennt man sie als Wasserkresse, Bachkresse, Bachbitterkraut, Bittersalat, Heilkresse, Krötenkraut, Quellrauke, Waldkresse, Jägersalat, Wilder Senf oder einfach als Kresse. Vor allem in älteren Kräuterbüchern ist manchmal nicht sicher zu erkennen, ob wirklich die Brunnenkresse gemeint ist, denn einige andere Wildpflanzen wurden und werden ähnlich genutzt, vor allem das Bittere Schaumkraut (Cardamine amara) und das Barabarakraut (Barbarea vulgaris). Ähnlich im Geschmack sind auch die Gartenkresse (Lepidium sativum), der Weiße Senf (Sinapis alba) und die Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus), was auf gleiche oder ähnliche Inhaltsstoffe zurückzuführen ist. Davon später mehr.
Feine Unterschiede
Die Gattung Brunnenkresse (Nasturtium) umfasst nach manchen Autoren bis zu sechs Arten. Wild wachsen in Deutschland aber nur die Echte Brunnenkresse (Nasturtium officinale) und die Kleinblättrige Brunnenkresse (Nasturtium microphyllum). Die beiden Arten unterscheiden sich zwar etwas in ihrer Größe, aber dieses Merkmal ist nicht zuverlässig. Das beste Unterscheidungsmerkmal findet sich, wenn man die Schoten miteinander vergleicht. Während die Samen der Echten Brunnenkresse in der eher kurzen, dicklichen Schote in zwei Reihen angeordnet sind, besitzen die etwas längeren und dünneren Schoten der Kleinblättrigen Brunnenkresse nur eine Samenreihe.
Die Blüten sind bei allen Arten und Zuchtformen sehr ähnlich: vier weiße Kronblätter, die gelegentlich auch blass violett sein können. Typisch für die Familie ist die kreuzförmige Anordnung der Kronblätter.2 Die Blütezeit beginnt etwa im Mai und kann bis in den August reichen. In dieser Zeit wird die Pflanze üblicherweise nicht verwendet, da sie unangenehm scharf und bitter schmeckt.
Wie manche andere Sumpf- und Wasserpflanzen wächst die Brunnenkresse in langen Trieben, die im kiesigen Grund eines Bachs oder im Schlamm eines Grabens immer wieder wurzeln und sich deshalb auch bei stärkerer Strömung gut verankern können. Die meist dunkelgrünen, leicht gefiederten Blätter und die rankenartigen Verzeigungen der hohlen Stängel helfen, die Pflanze von anderen Wasserpflanzen zu unterscheiden. Die Blätter schwimmen entweder an der Wasseroberfläche oder wachsen bis zu 30 Zentimeter in die Höhe. Blüten und Samen bilden sich allerdings vor allem an sonnigeren Plätzen.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 03/10 lesen.