Sie kennen das: In Ihrer öffentlichen Einrichtung werden die Kinder rar. Da warten Ihre Kolleginnen mit BAT- oder TVÖD-gegerbten Gesichtern im Spielraum, aber niemand kommt, der Steine stapeln oder das »Lied vom kleinen Zug« singen will. Nur das verwachsene Enkelchen von Oma Kraschewski aus dem Nachbarhaus ist da. Aber vor dieser neuen Kita um die Ecke stoppen jeden Morgen schwere Hybrid-Roadster, um glückliche Kinder von dynamischen Erfolgseltern auszuspucken. Was das Geheimnis dieser Erfolgskita ist, wissen wir schon aus dem Fernsehen und aus Illustrierten: Sie ist privat.
Achim Kniefel untersucht das Phänomen der private feelings und findet heraus, wie Sie mit Ihrem Team auf den Zug, der ins neue Jahrtausend saust, aufspringen können.
Die Privaten mischen den Bildungsmarkt auf. »Giant Littles« und »Fromms AG« heißen die Einrichtungen. Oder war es »Foam AG«? Ich verwechsle in letzter Zeit solche Namen. Trotzdem: Ohne einen fremdsprachigen Namen braucht man in der Szene nicht anzufangen.
Wie Pilze schießen die Institute aus dem Boden, und zwar nach folgendem Muster: Erst kommt das Interview in der Presse, in dem die Macher ihre Gründungsvorhaben vorstellen, gern mit Satzbausteinen wie: »Das staatliche Bildungssystem versagt… Wir wollen beweisen… Zahlreiche Unterstützer, auch aus der Wirtschaft…«
Ein Eliteding? Niemals! Obwohl: Was wäre so schlimm daran?
In der zweiten Stufe trudeln Mails durch die Chat-Foren, zum Beispiel von »purzelchen78«: »Habe soeben vom Konzept dieser neuen Privatkita gehört und bin begeistert. Weiß jemand, ob eine Gründung im Raum Haselünne geplant ist?« Schon nach kurzer Zeit ist die Warteliste voll, und das neue Projekt kann starten.
In der dritten Stufe kommt der Bürgermeister zur Eröffnung und lobt – je nach Parteizugehörigkeit auch mal zähneknirschend – die »gelungene Preiwett-Pabblick-Partnerschipp«.
Sodann startet der Alltagsbetrieb, nur von zahlreichen Besuchen der Presse unterbrochen, die Fotos von Kindern an Laptops und Touchscreens schießen darf. Ja, es läuft gut! »Wenn ich daran denke, was unsere Marie-Antoinette jetzt in einer staatlichen Einrichtung durchmachen müsste«, raunt Purzelchen78 und denkt sich einen großen Smiley.
Tief im Westen besuche ich eine Einrichtung, die ganz oben auf dem Privat-Trend mitschwimmt, obwohl sie eine Vorgeschichte als »Städtischer Kindergarten Essen-Steele-Lintorper Weg Römisch 2 Großes C Strich 4« hatte. In einem fleckigen Betonbau am Rande einer Hochhaussiedlung fand ich die Einrichtung damals, als ich sie wegen meiner mehrteiligen Reportage zum Thema »Spielzeugfreie Kita – ein Zukunftskonzept in finanzschwachen Zeiten« besuchte. Plötzlich aber tauchte das Haus unter neuem Namen in unzähligen Elternforen als Geheimtipp auf, und die elektronische Warteliste soll vier Gigabyte wiegen. Ich mache mich sofort auf den Weg, an den nämlichen Ort.
»Lerne die Strategien deines Feindes kennen und nutze sie«, antwortet Heike, schon damals die Ansprechpartnerin, auf meine Einstiegsfrage nach dem Erfolgsgeheimnis der »Little Human Ressources AG«, wie das Haus heute heißt. Aus der unsicheren jungen Erzieherin ist eine geschäftsmäßig auftretende Dame geworden, und ihr Ansteckschild verrät: Heike Kesselbrink – Leading Education Consulting Manager. Hui!
Während sie mich durch die »Exploration-Center« genannten Räume des Hauses führt, erklärt sie mir den Aufschwung: »Wir waren an einem Punkt angelangt, an dem wir wussten: Entweder sofort schließen oder die Privatisierung wagen.« Ihr Dienstvorgesetzter, der kahlköpfige Lederwestenträger und Jugendamtsleiter Hans »Johnny« Tümmermann, ergänzt: »Wir wollten als Jugendamt trotz des neuen Privat-Status natürlich Einfluss behalten. Also gründeten wir die ›Little Human Ressources AG‹ mit mehreren Tochterfirmen und besetzten den Aufsichtsrat mit Mitarbeitern unseres Amtes, das gleichzeitig die Aktienmehrheit einer Auffanggesellschaft hält – kommen Sie bis jetzt noch mit…?«
Ich nicke zwar, blicke aber gedankenverloren auf ein Schild, das den Weg zur Besuchertoilette weist: »To Empty Bladder Profit Center – ein Unternehmen der Little Human Ressources Toilets AG«. Bladder heißt übrigens Blase.
Heike erklärt: »Am Anfang hatten wir keine Ahnung, wie dieses ›Privat‹ funktioniert. Privat – das war für uns die Aufschrift auf dem Schild des Erzieherpausenraums. Sollten wir das ganze Haus in einen gigantischen Pausenraum umgestalten, mit Mottotassen und Knabbergebäck? Schnell merkten wir, dass wir Beratung brauchen, und da lernten wir unser Ottchen kennen…«
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 01-02/10 lesen.