Ein Projekt an der Fachhochschule Potsdam
Mit ihrem Pilotprojekt »Kreativität von Anfang an« will die Fachhochschule Potsdam neue Impulse für die Förderung von Kreativität in der frühen Kindheit setzen. Ein zentraler Baustein des Vorhabens ist der eigens für das Projekt entwickelte Kreativitätskoffer, der 30 werdenden Müttern und Eltern aus Brandenburg und Berlin übergeben wurde. Er soll Kindern und Erwachsenen Lust am Spielen vermitteln und gleichzeitig die Wahrnehmung der Eltern für die Perspektive der Kinder schärfen. Ein Bericht von Robert Uhde
Ob sie malen, Holzklötzer stapeln oder kneten – Spielen ist ein Grundbedürfnis kleiner (und großer) Kinder. Allein, zu zweit oder in der Gruppe entdecken und erforschen sie dabei sich und ihre Umgebung und stellen kreativ erste Bezüge zwischen beiden Welten her. Stück für Stück lernen sie, die Dinge im wahrsten Sinne des Wortes zu begreifen und sich anzueignen. Gleichzeitig bietet das Spiel eine wichtige Basis für die positive und Entwicklung fördernde Beziehung zwischen Kindern und Erwachsenen. Im schöpferischen Austausch miteinander können Fertigkeiten entdeckt werden, kann Vertrauen wachsen, kann Selbst-Bewusstsein entstehen.
Doch wie können Eltern, Erzieherinnen, Erzieher und Tagespflegerinnen lernen, mit kleinen Kindern zu spielen? Wie können sie für die Wahrnehmung und Begleitung des frühen Spiels qualifiziert werden? Die Fachhochschule Potsdam hat dazu ein Modellvorhaben unter dem Motto »Kreativität von Anfang an« entwickelt. Im Rahmen des Projekts sollen Vorschläge für die Qualifizierung von Erwachsenen im Hinblick auf die Bereiche »Beziehung«, »Spiel« und »Kreativität« entwickelt werden. Das Projekt wird von der Robert-Bosch-Stiftung gefördert und wurde in Kooperation mit dem Familienzentrum der Fachhochschule Potsdam und dem Studiengang »Bildung und Erziehung in der Kindheit« konzipiert. »Das Besondere dabei ist, dass sich Eltern und ihre Kinder gemeinsam mit Pädagogen und Künstlern auf den Weg machen, das Spielen kleiner Kinder zu entdecken und in diesem Prozess gemeinsam und voneinander zu lernen«, so Dr. Kirsten Winderlich, die das Vorhaben leitet und wissenschaftlich begleitet. »Durch diesen Austausch der verschiedenen Akteure wollen wir ganz bewusst den Blick für andere Sichtweisen öffnen und den eigenen Erfahrungsraum erweitern.«
Ein zentraler Baustein des ambitionierten Projekts ist der Kreativitätskoffer. Im Sommer 2008 wurde er 30 werdenden Müttern und Eltern mit unterschiedlicher sozialer Herkunft übergeben. In seinem Inneren befindet sich ein buntes Sammelsurium von Objekten und Materialien, die kleine Kinder zum kreativen Spielen anregen sollen. »Gleichzeitig liefert der Inhalt des Koffers auch den Erwachsenen eine Vielfalt an Impulsen, sich an das eigene Kindsein und an das Spielen in der Kindheit zu erinnern«, erklärt Kirsten Winderlich. »Diese Erinnerungen regen die Eltern, Pädagogen und Künstler an, die Kinder in ihrem eigenen Spiel bewusster wahrzunehmen und mit ihnen ins Spiel zu kommen.«
Um ihre Erfahrungen später mit anderen Eltern auszutauschen und zu intensivieren, haben sich die beteiligten Eltern dazu bereit erklärt, in den ersten zwei Lebensjahren ihrer Kinder insgesamt sieben Workshops in der Fachhochschule Potsdam zu besuchen. »Auf diese Weise erhalten sie die Möglichkeit, unter Anleitung von Frühpädagogen und Künstlern zu lernen, die schöpferischen Kräfte ihrer Kinder zu erkennen und zu entfalten«, beschreibt Kirsten Winderlich die Zielrichtung des Projekts. »Anders als bei sonstigen Förderprogrammen und Elternkursen geht es dabei durchgehend um das Aufgreifen und Thematisieren von Impulsen, die auf der Wahrnehmung des kleinen Kindes beruhen.«
Der Kreativitätskoffer als Medium für die Elternbildung
Die Innenausstattung des Koffers wurde in Zusammenarbeit mit dem Buchbinder Markus Rottmann zusammengestellt. Der Bezug zu künstlerischen Objekten ist dabei offensichtlich. Ein weiterer Bezug sind Praktiken in Skandinavien: »In Finnland ist es zum Beispiel üblich, dass die Eltern bei der Geburt ihres Babys einen Koffer mit einer Erstausstattung für das Kind als Begrüßungsgeschenk vom Staat bekommen«, beschreibt Kirsten Winderlich eine ihrer Ideenquellen. Mit dem Verweis auf künstlerische Prozesse wurde auch die Übergabe des Koffers an die werdenden Eltern bewusst als eine rituelle Performance inszeniert. Dementsprechend gespannt und neugierig waren die Eltern, als sie die Koffer überreicht bekamen. Statt auf Windeln, Strampler oder Babycreme zu stoßen, fanden sie bunte Perlen, verschiedenfarbige Bauklötze, Knetgummi oder ein Stück Borke, Wachsmalblöcke, Spiegelfolie, eine Decke zum Kuscheln und Verstecken, Steine in unterschiedlichen Formen, ein Buch mit Abbildungen und Zeichnungen von Fischen, ein Kiefernzapfen und einen weiteren kleineren Koffer.
»Bei der Zusammenstellung der Inhalte entschieden wir uns ganz bewusst für Utensilien und Materialien, die den Kindern Raum geben, eigene Erfahrungen zu machen, neue Fähigkeiten zu entdecken und zu erproben«, beschreibt Kirsten Winderlich die Kriterien für die Auswahl. »Statt vorgefertigtem Spielzeug finden sich also Dinge, bei denen es relativ offen ist, was die Kinder mit ihnen anstellen.«
Die frühzeitige Übergabe sollte es den werdenden Eltern schon vor der Geburt ihrer Kinder ermöglichen, in den Koffern zu stöbern und sich dabei an ihre eigenen frühen Entdeckungen zu erinnern. »Dieser Prozess ist ganz wichtig«, so Kirsten Winderlich weiter. »Denn indem die Eltern die Dinge schon vor der Geburt in die Hand nehmen, daran riechen, ihre Beschaffenheit ertasten und damit spielen, fällt es ihnen vielleicht leichter, sich auf die kindliche Wahrnehmung einzulassen, etwas über die besonderen Zugangsweisen der Kinder zur Welt zu erfahren und über ihre Kreativität, die sie von Anfang an besitzen. Der Koffer ist, so gesehen, eine Art Übergangsobjekt zum Kind, zum Eigenen. Was im Verlauf des Projekts später passiert, wie die Eltern und ihre Kinder die Inhalte der Koffer für sich nutzen – das soll ein offener Prozess sein – eine Art Entdeckungsreise in die frühe Kindheit mit dem eigenen Kind als Fremdenführer.«
www.kreativitaetvonanfangan.de
Das »Kita mobil Team« ist ein Team aus Studierenden und Lehrenden des Studienganges »Bildung und Erziehung in der Kindheit B.A.« der Fachhochschule Potsdam. Das Kita mobil geht auf Wunsch und nach Vereinbarung direkt in die Kindertagesstätten und eröffnet vielfältige Möglichkeiten für Kreativität und ästhetische Erfahrung. Schlüsselobjekt für dieses Vorhaben ist ein Kreativitätskoffer.
www.fh-potsdam.de
Über die Internetseiten der FH Potsdam gibt es weiter Informationen zum Studiengang »Bildung und Erziehung in der Kindheit«. Durchklicken über > Studium > Studienangebot > Fachbereich 1 > Studiengang Bildung und Erziehung in der Kindheit.
www.ina.fu-berlin.de
Ein »kreatives« Projekt der Stadt Braunschweig zur Förderung künstlerischen Handelns in den städtischen Kindertagesstätten das von der INA/ISTA evaluiert wurde. Durchklicken über >zu den Projekte: ISTA >Nationale Projekte > Kunst ist (k)ein Kinderspiel.
www.fruehpaedagogik-studieren.de
Eine Übersicht aller frühpädagogischen Studiengänge in ganz Deutschland bietet die Seite des Instituts für Bildungs- und Sozialpolitik der FH Koblenz. Dieses Portal zeigt ergänzend einen aktuellen Stellenmarkt, der sich zurzeit allerdings nur auf wenige Leitungspositionen und Professuren beschränkt, sowie Informationen über Veranstaltungen und Literaturtipps aus dem Bereich der Frühpädagogik.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 11-12/09 lesen.