Ein Fortsetzungsroman über das Lebensthema »Tod«
Als uns Yvonne Lohr und Simone Müller im Sommer 2007 in Fulda ihre »Totenprojekte« präsentierten, lösten sie eine ganz besondere Stimmung aus: eine Mischung aus innerer Bewegung, Leichtigkeit und Fröhlichkeit. So eine Stimmung erwartet man gemeinhin nicht, wenn man mit dem Thema »Tod« in Berührung kommt. Doch die besondere Art und Weise, in der die Fragen der Kinder aufgenommen wurden, in der ihre Ideen Raum fanden und die Zufälle des Lebens zum Zuge kamen, nahm dem Thema alles Bedrückende. Begegnungen und Ereignisse, Grenzen und Widerstände, Tatkraft und Trauer verwoben sich zu einer berührenden Geschichte.
Wir waren so begeistert, dass wir uns spontan entschlossen, diese Projekte und einen Vorläufer, das »Gebeineprojekt«, in Texten zu verarbeiten. In Heft 8-9/09 begann der Fortsetzungsroman. Yvonne Lohr erzählt weiter…
Unser Friedhofsbesuch war eine Herausforderung für mich, das Thema »Tod« überhaupt. Manche Kolleginnen hatten mir zurückgemeldet: Die Auseinandersetzung mit diesem Thema – wir können das nicht, es geht uns zu nahe, und außerdem finden wir das tote Kaninchen eklig. Klar, jeder Mensch hat seine eigene Geschichte und Erfahrung. Bei diesem Thema kommt das hoch, unweigerlich.
Ich durfte als Kind zum Beispiel nicht mit auf den Friedhof, als eine mir sehr liebe Tante beerdigt wurde. Das hing mir jahrelang an, dieses Wissen, ich hätte damals mitgemusst, um Abschied nehmen zu können. Also spielt mein eigener Hintergrund eine große Rolle, meine Auseinandersetzung mit dem Trauern. Hätte ich mich im Vorfeld damit nicht schon beschäftigt und die Erfahrung gemacht, dass es für mich besser gewesen wäre, wenn… – dann hätte ich die Themen der Kinder sicher an manchen Stellen gar nicht oder nicht so aufgreifen können, wie ich es tat. Ich griff sie natürlich in meiner Sichtweise auf, ich steckte drin.
Die erste Entscheidung, bei der ich zusammenzuckte, war die der Kinder, das Kaninchen mitzunehmen, obwohl wir überhaupt nicht wussten, was am Ende passiert, was das auslösen kann. Immerhin war mir bewusst: Es kann jede Menge auslösen...
Die zweite schwierige Entscheidung, die ich zu treffen hatte: Erfülle ich den Wunsch der Kinder, beim Verwesungsprozess durch die Plexiglasscheibe zuzugucken? Oder nicht? Ich stellte mir die Frage und sagte mir: Doch, ich lasse es zu. Ich hätte auch sagen können: Nein, das Tier wird sofort beerdigt. Deckel zu, Erde drauf, Schluss. Vielleicht hätten wir das Kaninchen später noch mal ausgebuddelt. Wer weiß?
Fast jeden Tag konfrontierten mich die Kinder mit Fragen, auf die ich keine Antworten hatte. Sie erlebten: Auch Yvonne weiß das nicht. Wir finden keine Antworten. Es kann sie nämlich nicht geben, denn über den Tod wissen wir alle nichts. Das muss man aushalten können. Und man muss etwas über seine eigenen Grenzen, seine eigenen Tabus wissen. Darüber kann man sich nämlich nicht hinwegsetzen. Niemand kann das.
In einem ganz anderen Zusammenhang hatten wir mal im Team besprochen, was passiert, wenn jemand sagt: Bis hierher und nicht weiter – ich kann das nicht. Wir waren uns einig, dass man dann fragen darf: Wer kann dieses Thema aufgreifen? Gibt es eine Kollegin, die einspringen kann?
Denkbar ist natürlich, dass eine Situation entsteht, in der bei mir wirklich Schluss ist. Das müssen die Kinder dann akzeptieren. Es bleibt ihnen gar nichts anderes übrig. Aber sie merken: Sieh mal an, auch Yvonne hat ihre Grenzen.
Im Haus gab es eine Kollegin, in deren Familie ein Todesfall noch nicht lange zurücklag. Die Kinder ihrer Gruppe stellten ihr gar keine Fragen, weil sie gemerkt hatten, dass die Kollegin das nicht aushalten konnte. Also war »Tod« in dieser Gruppe kein Thema. Wohl aber nebenan, bei mir. Mich konnten sie fragen. So etwas kriegen die Kinder mit ihren feinen Antennen ganz genau mit.
Apropos Grenzen: Es gibt zum Glück auch ganz einfache Grenzen, die jeder sieht. Zum Beispiel ein Zaun. Oder die Stadtgrenze. Ich meine, »Grenze« ist ja erst mal ein abstrakter Begriff für Kinder. Den muss man begreifbar machen: Guck mal, hier ist die Grenze, nämlich der Zaun. Dahinter ist die Straße. Oder: Jetzt erreiche ich die Grenze meiner Merkfähigkeit. Zwar erzählen die Kinder die interessantesten Sachen, aber ich habe Stift und Papier nicht dabei.
Ich schreibe immer nur mit, wenn ich vorher weiß: Wir gehen jetzt bewusst an eine Sache heran. Doch als die Kinder das Kaninchen im Karton auf den Tisch legten und alle anderen Kinder dazuholten – damit hatte ich nicht gerechnet. Dann die Diskussion unter den Kindern – ich stand daneben, beobachtete und hörte zu. Diese Ernsthaftigkeit! Und diese Wut manchmal!
»Das stimmt so nicht! Sondern das ist so…
Nein! Das ist so…!«
Wie die Kinder in den Dialog traten, mit ihren ganz unterschiedlichen Sichtweisen über Leben, Tod und Wiederbelebungsmaßnahmen, das kann man nicht festhalten. Diese Auseinandersetzungen kann man wirklich nicht wiedergeben.
So war es auch, als die Frage aufkam, warum das Kaninchen gestorben war. Hatte ein Hund es tot gebissen? Wohl nicht, denn es waren keine Spuren zu sehen. Vergiftet? Erschossen? Auch davon kamen die Kinder gleich wieder ab, denn es war kein Einschussloch zu sehen. Ein Junge überlegte: »Vielleicht liegt es schon ganz lange hier. Nein, das kann nicht sein. Dann hätten wir es schon früher gesehen…«
www.strassederbesten.de
Mit knapp 3500 Gedenkstätten nicht gerade klein – der kostenlose Online-Friedhof im Internet.
www.memoriam.de
Neben hilfreichen Informationen zu einem Trauerfall gibt es auf diesen Seiten viele Informationen über das Trauern und Hilfsangebote.
www.bestatter.de
Auf den Seiten des Bundesverbandes Deutscher Bestatter e.V. finden sich alle wichtigen Informationen zu den Bestattungsmöglichkeiten und Bestattungsarten in Deutschland. Die Suche nach einem Bestattungsinstitut bietet die Möglichkeit eines Friedhof-Besuches.
www.ztl-trauerbegleitung.de
Das Zentrum für Trauerbegleitung und Lebenshilfe e.V. ist eine staatlich an-erkannte Weiterbildungseinrichtung für Palliativ- und Hospizpflege. Die Seminare beziehen sich auch auf den Umgang der Kinder mit dem Tod und sind somit für Erzieherinnen und Grundschullehrer geeignet.
www.trauerinstitut.de
Das Trauerinstitut Deutschland e.V. setzt sich unter anderem für das Recht jedes trauernden Menschen auf angemessene, respektvolle Unterstützung ein.
www.hospiz.net
Unter dem Begriff »Hospiz« versteht man heute ein umfassendes Konzept, nach dem sterbenskranke Menschen auch in ihrer letzten Lebensphase daheim sein können. Das zentrale Webportal des deutschen Hospiz- und Palliativ-Verbandes bietet eine Übersicht mit Links, Veranstaltungen, Forum, Stellenmarkt und weiteren Informationen.
www.n-fischer.de
Eine Seite für alle, die das Thema »Bestattungskultur« und die »Geschichte des Todes« interessiert. Von der Veränderung der Bestattungsrituale bis hin zum Wandel der Friedhöfe – ein lesenswertes Dokument eines Vortrags von Prof. Fischer. Einfach auf »Tod und Bestattung« klicken.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 10/09 lesen.