Es gibt 100 Möglichkeiten, die Welt mit Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren zu erforschen. Brigitte Rametsteiner beschreibt, welche Wege die Kinder ihrer Gruppe beschritten, und hörte ihnen zu. – Die Serie begann in Heft 1-2/08.
Kinder entdecken die Welt auf ihre Weise, brauchen aber einen Anker, der ihnen Sicherheit und Vertrauen gibt. Um für Neues, Andersartiges oder Fremdes offen zu sein, ist das Wissen um die eigene Identität wichtig.
Ehe wir in die große, weite Welt ausschwirren, wollten wir uns vorerst mit der Welt um uns herum auseinander setzen. In erster Linie könnte das jeder mit sich selbst tun, sich Fragen stellen wie…
• Wer bin ich? Wie heiße ich?
• Wie sehe ich aus?
• Wie alt bin ich?
• Wie groß bin ich?
• Woher komme ich? Wo fühle ich mich wohl?
• Was mag ich?
• Was mag ich nicht?
• Wen mag ich?
• Meine Familie, mein Zuhause, meine Adresse, meine Stadt, mein Land…
• Wie sieht es bei uns aus?
• Mein Kindergarten und der Weg dorthin
• Meine Freunde
… und schließlich herausfinden: Jeder ist einmalig!
Immer wieder ergaben sich Gespräche über die eigene Person: das Aussehen, die Haarfarbe, die Augenfarbe, besondere Merkmale, die Größe, das Gewicht, das Wachstum – Babyfotos wurden mitgebracht, Veränderungen festgestellt –, die Familie, Vorlieben, Abneigungen, die Adresse – auf einem Stadtplan wurden die verschiedenen Straßen gesucht –, die Häuser, in denen die Kinder wohnen, wie man dorthin kommt, wie man von dort in den Kindergarten kommt, was es unterwegs zu sehen gibt, was sich in der Nähe befindet…
Die Kinder hantierten mit Spiegeln und entdeckten Neues an sich. Selbstportraits entstanden. Wir sprachen darüber, dass es jeden Menschen nur ein Mal gibt und dass jeder in seiner Einmaligkeit gesehen und gemocht werden möchte. Mimi meinte: »Ja, das weiß ich. Ich bin ein Wunschkind!«
Was jedem Kind an sich gut gefällt
Magdalene: »Meine Hände können so gut malen.«
Dominic: »Die Haare.«
Mimi: »Ich muss mich im Spiegel sehen, und da gefall ich mir dann selbst. Dass ich mir dann manchmal ein Kleid anziehe, das gefällt mir auch.«
Nikola: »Ich bin kein Schwarzhaarer, ich bin ein Braunhaarer. Hauen kann ich auch, ich wehre mich gut.«
Stefanie: »Ich hab so schöne Ohren.«
Elena: »Mir gefallen meine Haare, weil sie so schön golden sind.«
Anna: »Meine Lippen, wenn ich Lippenstift darauf habe.«
Vanessa: »Mein Gesicht.«
Amadea: »Ich kann Geige spielen.«
Maxi: »Ich kann mit dem Amin so schön Auto spielen.«
Betül, Dilara, Ilayda und Yaser verstanden noch nicht, was die Kinder sagten, lächelten aber.
Betrachtungen über Selbstvertrauen
Beim Weben unterhielten sich die Mädchen.
Ksenija: »Heute hat mich mein Papa geweckt.«
Mimi: »Und weißt du, wer mich geweckt hat? Mein Selbstvertrauen.«
Stefanie: »Was ist Selbstvertrauen?«
Mimi: »Das braucht man zum Leben.«
Julia: »Das heißt: Ich vertraue mir. Wenn ich was machen will, dann probier ich’s einfach. Ich sag zu mir: Ich schaffe es.«
Stefanie: »Ja, ich denk auch immer: Wenn ich sechs bin uns in die Schule gehe, dann kann ich gut lernen und bekomme Einser.«
Mimi: »Dann weißt du es ja!«
Stefanie: »Aber ich hab nicht gewusst, dass das Selbstvertrauen heißt.«
Magdalena spielte nebenan in der Puppenstube, hörte zu und mischte sich ein: »Ich hab auch ein Selbstvertrauen! In der Nacht, wenn ich schlafe, träume ich immer. Wenn ich dann aufwache, ist es finster, und da gehe ich zu Mama und Papa. Da bin ich mutig…«
Das kleine Ich
Wir sahen uns das Bilderbuch »Das kleine Ich bin ich« an, das jüngere und ältere Kinder ansprach. Das wurde besonders deutlich, als die Kinder begannen, die Geschichte darzustellen. Manche Passagen wurden wortgetreu wiedergegeben.
Die Anleitung am Ende des Buches, die beschreibt, wie man selbst ein »kleines Ich« machen kann, gefiel den Kindern auch. Wir besprachen, welches Material wir dazu brauchen, und ich wurde beauftragt, es zu besorgen.
Beim Zuschneiden der Stoffquadrate war meine Unterstützung gefragt. Andere Arbeitsschritte bewältigten die Kinder im Alleingang, oder sie halfen einander. Elena stellte fest: »Ich kann gut binden. Dafür kann die Magdalena gut Knöpfe annähen.« Und ich lernte verschiedene neue Arten des Knöpfe-Annähens kennen.
Schließlich hatte fast die Hälfte der Gruppe ein »kleines Ich«. Mit den Püppchen veranstalteten die Kinder ein Wettrennen. Staunend sahen die Jüngsten zu. Da sagte die vierjährige Magdalena: »Wir Großen können schon nähen und binden. Aber die Kleinen können das noch nicht. Wenn wir ihnen helfen, dann haben sie auch ein ›kleines Ich‹. Und wenn’s uns zu viel Arbeit wird, fragen wir die Brigitte, ob sie uns hilft.«
Wenn Kinder in diesem Alter Gefühle und Bedürfnisse anderer Kinder erkennen, muss ihr Selbstbild positiv sein, denke ich.
Weitere Ideen, die den Stellenwert der Familie als Hort der Geborgenheit immer wieder hervorhoben, entstanden. Elena sagte: »Ich komme ja gern in den Kindergarten, weil ich da Freunde habe, mit denen ich spielen und forschen kann. Es macht mir schon Spaß. Aber wenn ich abgeholt werde, freue ich mich auch.«
Darauf Magadalena: »Ich auch! Denn wenn in der Nacht ein Gewitter kommt, fürchte ich mich und weine, weil Mama und Papa nicht da sind.«
Gespräche über Ängste und das Gefühl von Geborgenheit schlossen sich an…
Literatur
Bardill, L.; Rowe, J. A.: Das Leben ist ein Fest. NordSüd Verlag, Gossau, Zürich 2005
Boeck, J.: Mama hat sich verliebt. Herder Verlag, Freiburg 1994
Cousins, L.: Zazas kleiner Bruder. Verlag Sauerländer, Aarau, Frankfurt a. M. Salzburg
Heine, H.: Freunde. Verlag Middelhauve, Köln, Zürich 1982
Hendry, D.; Chamberlain, M.: Ach, du lieber Schlotterhund. Aare Verlag, Aare, Frankfurt a. M., Salzburg 1995
Kern, N.: Ich hab dich einfach so lieb. Verlag Oetinger, Hamburg 1998
Lobe, M.: Das kleine Ich bin ich. Verlag Jungbrunnen, Wien, München 1972
Waddell, M.: Kannst du nicht schlafen, kleiner Bär? Annette Betz Verlag, Wien, München 1989
Wagner, B.; Kunstreich, P.: Vom kleinen Känguru, das aus dem Beutel fiel. Verlag St. Gabriel, Mödling, Wien 1993
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 11/08 lesen.