Libellen – schöne, schnelle Räuber
Es gibt kaum einen Lebensraum, in dem nicht eine riesige Zahl kleiner und kleinster Tiere zu finden ist – und dennoch wissen wir über sie und ihr Leben nur sehr wenig. Nur selten kennen wir ihre Namen, und noch weniger wissen wir über ihre Rolle und Bedeutung in ökologischen Zusammenhängen. Viele Kinder interessieren sich aber für die Welt der Kleinlebewesen. Deshalb stellt Herbert Österreicher verschiedene und höchst bemerkenswerte Vertreter der wichtigsten zoologischen Gruppen vor. Die Serie begann in Heft 10/06.
Biologie und Ökologie
Libellen – eher große und meist auffällige Insekten – sind vor allem an Ufern von Bächen, Teichen und Seen zu finden, da sich ihre Larven im Wasser entwickeln. Manche Arten leben nur an Fließgewässern, andere an stehenden Gewässern oder Mooren. Weltweit gibt es rund 5.600 Libellenarten, von denen 70 bis 80 Arten in Mitteleuropa verbreitet sind.
Man unterscheidet bei dieser Insektenordnung zwei Unterordnungen: Kleinlibellen und Großlibellen.
Kleinlibellen (Zygoptera) besitzen zwei gleich große Flügelpaare, die in der Ruhestellung über dem Körper zusammengelegt werden. Gut zu sehen ist das zum Beispiel bei der Blauflügel-Prachtlibelle (Calopteryx virgo), die sich in den Sommermonaten an rasch fließenden Flüssen und Wildbächen aufhält und schon von weitem an ihrer metallisch dunkelblauen Färbung zu erkennen ist.
Die Flügelpaare der Großlibellen (Anisoptera) sind hingegen ungleich groß und bleiben in der Ruhestellung des Tiers vom Körper abgespreizt. Typisch für diese Gruppe ist die Große Königslibelle (Anax imperator) mit einer Körperlänge von etwa 8 Zentimetern und einer Flügelspannweite von rund 12 Zentimetern.
Wie alle Insekten haben Libellen drei Beinpaare, die aber nicht zum Laufen dienen, sondern einen »Fangkorb« bilden, mit dem die räuberisch lebenden Tiere ihre Beute im Flug packen und festhalten können. Die großen Facettenaugen, die den vorderen und oberen Teil des Kopfes bedecken und sich bei manchen Arten aus bis zu 30.000 Einzelaugen (Ommatidien) zusammensetzen, sind ein deutlicher Hinweis auf den außerordentlich leistungsstarken Sehsinn der Tiere. Im Gegensatz dazu ist ihr Geruchssinn weit weniger gut ausgebildet. An der Brust befinden sich starke Muskeln, mit denen die Libellen ihre vier häutigen Flügel so geschickt bewegen können, dass sie Geschwindigkeiten von bis zu 40 Kilometern pro Stunde erreichen. Aufgrund ihrer besonderen Flugmuskulatur, durch die Vorder-und Hinterflügel unabhängig voneinander bewegt werden, können manche Arten sogar rückwärts fliegen.
Der Hinterleib ist typischerweise meist sehr lang und dünn. Dort befinden sich die Verdauungsorgane, das Herz und die Geschlechtsorgane.
Bei vielen Arten schillern Brust und Hinterleib in verschiedenen Farben. Farbe und Farbkombination können für die Artbestimmung sehr hilfreich sein.
Eine der häufigsten bei uns lebenden Großlibellen ist die Blaugrüne Mosaikjungfer (Aeshna cyanea). Diese auffällig blaugrün gefärbte Art besiedelt kleine und mittelgroße stehende Gewässer und fliegt von Anfang Juni bis Mitte Oktober. Die ähnlich gefärbte, aber kleinere Herbst-Mosaikjungfer (Aeshna mixta) fliegt sogar bis weit in den November hinein und gilt als typische Herbstlibelle.
Bei beiden Arten kann man das Jagdverhalten von Libellen gut beobachten: Die Tiere jagen stets aus der Luft, ohne jemals einen »Ansitz« als Beobachtungspunkt zu benötigen. Dabei scheinen sie unermüdlich. Meist fliegen sie in einer Höhe von 1 bis 2 Metern über den Pflanzen, wo sie kleinste Mücken, Fliegen, aber auch Schmetterlinge und andere Insekten erbeuten. Einen Platz zum Sitzen suchen sie nur auf, um ihre Beute zu verspeisen. Mit ihren kräftigen, beißend-kauenden Mundwerkzeugen knacken sie die Chitinpanzer selbst größerer Käfer mühelos.
Zur Paarung bilden viele Libellenarten – beispielsweise die Mosaikjungfer, eine häufiger vorkommende Kleinlibelle – ein so genanntes »Paarungsrad«. Dazu packt das Männchen das Weibchen mit Hilfe besonderer Greiforgane an seinem Hinterleibsende. In dieser Haltung bleiben die beiden Tiere oft sehr lange miteinander verbunden und können sogar gemeinsam fliegen. Forscher vermuten, dass dieses Verhalten eine besondere Strategie darstellt, um eine weitere Begattung des Weibchens durch andere Männchen zu vermeiden (Spermienkonkurrenz). Allerdings ist eine solche Paarung nicht ganz ungefährlich, denn viele Tiere werden in dieser Situation zur leichten Beute von Vögeln und anderen Räubern.
Die Eiablage verläuft bei den einzelnen Arten unterschiedlich. Während die Weibchen mancher Libellenarten ihre Eier in Laichschnüren ins Wasser oder auf eine Wasserpflanze legen, werfen andere die Eier im Flug ab. Wieder andere tupfen zur Abgabe einzelner Eier mit ihrem Hinterleib auf die Wasseroberfläche oder stoßen die Eier in weichen Uferschlamm.
Nach einer ersten Überwinterung schlüpfen aus den Eiern Larven, so genannte Nymphen. Sie brauchen zu ihrer Entwicklung bis zu drei Jahre, in denen sie sich räuberisch von verschiedenen kleinen Wassertiere ernähren.
Die Geschwindigkeit der Larvalentwicklung hängt von mehreren Faktoren ab. Abgesehen von den arttypischen Entwicklungszeiten können warme Witterung, größeres Nahrungsangebot und guter Gewässerzustand den Entwicklungsprozess erheblich beschleunigen.
Da zahlreiche heimische Libellenarten mittlerweile vom Aussterben bedroht und in ihrem Bestand akut gefährdet sind, sind diese Insekten heute nach der Bundesartenschutzverordnung »geschützte Arten«. Einige Arten erhielten sogar den Status »besonders geschützt«, was bedeutet, dass sie in ihrem Lebensraum nicht gestört oder beunruhigt werden dürfen. Gefährdet sind die Tiere allerdings nicht durch etwaige Fänge einzelner Exemplare, sondern durch die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen: Verschmutzung von Gewässern, Begradigung oder Befestigungen von Bächen und Flüssen, Auffüllung von Teichen und Tümpeln, intensive Gewässernutzung durch den Menschen und Trockenlegung von Feuchtgebieten – Maßnahmen, die in den letzten Jahrzehnten unter anderem für den Rückgang der Blutroten Heidelibelle (Sympetrum sanguineum) verantwortlich sind.
www.sglibellen.de
Website der Schutzgemeinschaft Libellen in Baden-Württemberg e.V. (SGL). Die SGL setzt sich seit den 1980er Jahren für die Erforschung und den Schutz der heimischen Libellen und ihrer Lebensräume ein.
www.ak-libellen-nrw.de
Der Arbeitskreis zum Schutz und zur Kartierung der Libellen in Nordrhein-Westfalen ist ein ehrenamtlich arbeitender und unabhängiger Arbeitskreis von mehr als 200 Personen und Institutionen.
www.libellen-wetterau.de
Website der Mitglieder einer Gruppe von Hobby-Odonatologen und Libellenfreunden. Sehr schöne, großformatige Fotos.
www.libelleninfo.de
Eine kleine, aber feine Einführung in das Leben der Libellen bietet diese Seite von Martin Lemke. Neben Literaturhinweisen und Links gibt es Grundlegendes zur Entwicklungsgeschichte und Verhaltenstipps.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 08-09/08 lesen.