Nur bei Sonnenschein aktiv: Eidechsen
Es gibt kaum einen Lebensraum, in dem nicht eine riesige Zahl kleiner und kleinster Tiere zu finden ist – und dennoch wissen wir über sie und ihr Leben nur sehr wenig. Nur selten kennen wir ihre Namen, und noch weniger wissen wir über ihre Rolle und Bedeutung in ökologischen Zusammenhängen.
Viele Kinder interessieren sich aber für die Welt der Kleinlebewesen. Deshalb stellt Herbert Österreicher verschiedene und höchst bemerkenswerte Vertreter der wichtigsten zoologischen Gruppen vor. Die Serie begann in Heft 10/06.
Biologie und Ökologie
Sonnenschein allein reicht noch nicht aus, um die Eidechse aus ihrem Versteck zu locken. Es muss schon richtig warm sein, damit sie sich sehen lässt. Erst wenn sie beim Sonnenbad genügend Wärme getankt hat, verfügt ihr wechselwarmer Organismus über die nötige »Betriebstemperatur«, und sie kann sich auf Beutejagd machen.
Die meisten Eidechsenarten leben in den heißen und trockenen Gebieten unserer Erde. Mit den Schildkröten und Schlangen gehören sie zur Klasse der Kriechtiere (Reptilien) und hier wiederum zur Ordnung der Schuppenkriechtiere. Zwar sind noch längst nicht alle Verwandtschaftsbeziehungen bekannt, Einigkeit besteht aber darin: Die Echten Eidechsen oder Halsbandeidechsen sind eine eigene Familie, die auch in Mitteleuropa einige weit verbreitete und bekannte Vertreter besitzt.
Die Zauneidechse (Lacerta agilis) ist unsere häufigste Eidechsenart. Sie besiedelt vorwiegend offenes, steinigsandiges Gelände von der Ebene bis ins Bergland, sonnige, trockene Waldränder, Bahndämme, Steinbrüche, Heideflächen, aber auch weniger dicht bewachsene Gärten mit Trockenmauern in windgeschützter Lage. Den Namen »Zauneidechse« trägt das Tier nicht von ungefähr: Es liebt die Übergangs- und Grenzbereiche zwischen Wald und Ackerflur, Felswänden und überwachsenem Geröll an kiesigen Uferzonen von Teichen und Tümpeln.
Im Vergleich zu anderen heimischen Arten wirken Zauneidechsen plumper und kräftiger. Ihr Schwanz ist weniger lang, und falls es sich um ein nachgewachsenes (regeneriertes) Körperteil handelt, ist er nochmals deutlich kürzer.
Insgesamt erreichen Zauneidechsen eine Gesamtlänge von etwa 20 bis 24 Zentimetern. Ihre Färbung kann sehr unterschiedlich ausfallen und hängt von Geschlecht, Alter und Jahreszeit ab. Die Grundfarbe ist bei beiden Geschlechtern zwar meist bräunlichgrau, aber zur Paarungszeit im Frühsommer zeigen die Männchen grün gefärbte Kopf-, Rumpf- und Bauchseiten. Gelegentlich lassen sich auch Tiere entdecken, die fast ganz grün sind oder eine rote Rückenzeichnung haben. Die Unterseite ist bei den Weibchen gelblich, bei den Männchen grün.
Die Smaragdeidechse (Lacerta viridis) wird mit bis zu 35 Zentimetern Gesamtlänge deutlich größer als die Zauneidechse, ist lebhaft grün bis gelbgrün gefärbt und damit besonders attraktiv. Die Männchen zeigen in der Paarungszeit eine leuchtend blaue Kehle.
Da die Smaragdeidechse nicht nur extrem scheu ist, sondern wärmere Lebensräume benötigt als die Zauneidechse, ist sie bei uns kaum zu finden. Überhaupt haben sich die Lebensbedingungen für Eidechsen in den letzten Jahrzehnten vielerorts deutlich verschlechtert: Verlust von Brachland und Ausbau von Verkehrswegen, Flurbereinigung und Bebauung von südexponierten Hängen sowie der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Landwirtschaft und Gartenbau. Aufgrund der Unscheinbarkeit der Biotope, die von Eidechsen besiedelt werden können (Übergangs- und Grenzbereiche!), und der guten Tarnung dieser Tiere wird ihr Rückgang kaum bemerkt. Dass diese Reptilien seit Jahren streng geschützt sind – nach der Bundesartenschutzverordnung und nach der europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) – hilft leider wenig.
Noch ein wenig wärmebedürftiger als die Smaragdeidechse ist die Mauereidechse (Podarcis muralis). Mit einer Gesamtlänge von etwa 20 Zentimetern ist sie nicht besonders groß und zierlicher als die Zauneidechse: Ihr Schwanz ist ungefähr doppelt so lang wie Kopf und Rumpf. Da sie unauffällig bräunlich-grün gefärbt ist, wird sie leicht übersehen. Am häufigsten findet man sie an felsigen, wenig bewachsenen Südhängen im Bergland, in Steinbrüchen, an alten Mauern und Ruinen.
Nach der Winterruhe in Erdlöchern und frostfreien Spalten tauchen die ersten Eidechsen im April auf, wärmen sich an ruhigen, sonnigen Plätzen und gehen dann – meist um die Mittagszeit – auf Nahrungssuche. Sie machen Jagd auf alle möglichen Insekten, vor allem Heuschrecken, Zikaden, Käfer, Ameisen, Spinnen und Regenwürmer. Ihren Durst stillen sie an kleinen Pfützen, aber sie trinken auch gern von Tau- und Regentropfen. Bei sehr großer Mittagshitze und nachts verkriechen sie sich in ihren Verstecken.
Eidechsen sind nicht nur flinke und geschickte Jäger, sondern werden auch selbst gejagt. Zu ihren natürlichen Feinden gehören Greifvögel, Rabenvögel und Amseln, Marder, Füchse oder Igel (nachts!) und andere Reptilien. Besonders gefährlich werden ihnen streunende Hauskatzen und Wildschweine, die die Überwinterungsplätze der Eidechsen aufwühlen und damit zerstören.
Bei Gefahr kann die Eidechse ihren Schwanz an einer »Sollbruchstelle« abwerfen. Damit soll der Feind abgelenkt und die Flucht ermöglicht werden. Der abgeworfene Schwanz kann sich aufgrund von Nervenreizen noch bis zu 20 Minuten lang bewegen. Das hält den Marder oder Greifvogel oft von der Verfolgung ab. An der Bruchstelle wächst später meist wieder ein Schwanz nach, allerdings kürzer und schmaler.
Das Territorialverhalten der Smaragdeidechse ist deutlicher ausgeprägt als das ihrer kleineren Verwandten. Smaragdeidechsen leben in Revieren, die sie gegen Artgenossen mit großer Entschiedenheit verteidigen. Mit erhobenem Vorderkörper und gesenktem Kopf gehen die Männchen im Streitfall mit ruckartigen Schritten aufeinander zu. Dabei schlagen sie mit ihren Schwänzen und versuchen, den Gegner einzuschüchtern. Hilft das nicht, kann es vorkommen, dass die Tiere einander beißen – manchmal so stark, dass sie ernsthafte Verletzungen davontragen. Dies lässt sich vor allem zur Paarungszeit beobachten, die in Mitteleuropa etwa Ende April beginnt und bis Ende Juni dauern kann.
Bei der Paarung ergreift das Männchen mit den Kiefern zunächst die Schwanzmitte des Weibchens. Danach verbeißt es sich in der Flanke und krümmt seinen Körper so, dass die Geschlechtsöffnungen sich aneinander legen und die Begattung möglich wird. Dieser Vorgang dauert nur wenige Minuten. Danach trennen sich die Tiere und gehen ihre eigenen Wege.
Nach wenigen Wochen gräbt das Weibchen in sandigen Boden kleine Löcher und legt dort fünf bis 14 weichschalige Eier ab. Je nach Sonneneinstrahlung dauert es nun ungefähr zwei Monate, bis die 50 bis 60 Millimeter langen Jungtiere schlüpfen. Sie kommen sofort allein zurecht und müssen sich sogar vor ihren Eltern in Acht nehmen, um nicht gefressen zu werden. Ihre Geschlechtsreife erreichen sie nach etwa zwei Jahren.
Schon bald nach dem Erscheinen der ersten Jungtiere suchen die erwachsenen Männchen ihre Winterquartiere auf. Die Weibchen müssen sich von der Eiablage erholen und ziehen sich erst gegen Ende September zurück. Im Oktober kann man nur noch die Jungtiere (Schlüpflinge) beobachten, die im Herbst am längsten aktiv bleiben.
Zu den Verwandten der Eidechsen zählen auch die Geckos, die aus der Familie der Haftzeher stammen. Sie besitzen einen ähnlichen Körperbau wie die Eidechsen und lieben Wärme ebenso, aber sie sind ausschließlich nachtaktiv. Deshalb können sie nur in südlicheren Ländern leben, in denen es nachts nicht so stark abkühlt.
Eine andere Verwandte der Eidechsen ist die »Eidechse ohne Beine«, die Blindschleiche (Anguis fragilis). Sie gehört zur kleinen Familie der Schleichen und ist bei uns weit verbreitet. Oft wird sie mit einer Schlange verwechselt, obwohl sie sich in mehreren Punkten von diesem Tier unterscheidet: Blindschleichen legen keine Eier, sondern sind lebendgebärend. Sie bewegen sich langsam und bevorzugen feuchtes, schattiges Gelände, wo sie nach Würmern, Schnecken und kleinen Insekten suchen.
www.lacerta.de
Einen umfangreichen Einblick in den Artenkomplex der Echten Eidechsen bietet diese Website. Neben Themengebieten wie Haltung, Zucht, Reiseberichte und Exkursionen wird ein großes Bildarchiv mit wunderschönen Aufnahmen angeboten.
www.amphibienschutz.de
Website des NABU zum Schutz von Amphibien wie Salamander, Molche, Unken, Kröten und Frösche sowie Reptilien oder Kriechtieren wie Schild-kröten, Echsen und Schlangen.
www.ijon.de/echsen
Vermutlich hat sie jeder schon mal gesehen, die netten Tierchen, die sich in den Sommermonaten bewegungslos auf Steinen oder Stämmen sonnen. Unserer häufigsten Eidechsenart, der Zauneidechse, wird hier eine ganze Website gewidmet.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 07/07 lesen.