Farbenfroh und flatterhaft: Schmetterlinge
Es gibt kaum einen Lebensraum, in dem nicht eine riesige Zahl kleiner und kleinster Tiere zu finden ist – und dennoch wissen wir über sie und ihr Leben nur sehr wenig. Nur selten kennen wir ihre Namen, und noch weniger wissen wir über ihre Rolle und Bedeutung in ökologischen Zusammenhängen.Viele Kinder interessieren sich aber für die Welt der Kleinlebewesen. Deshalb stellt Herbert Österreicher verschiedene und höchst bemerkenswerte Vertreter der wichtigsten zoologischen Gruppen vor. Die Serie begann in Heft 10/06.
Biologie und Ökologie
Nach den Käfern stellen die Schmetterlinge die zweitgrößte Insektenordnung dar. Die über 180.000 Arten werden in rund 130 Familien geordnet. Vereinfacht sprechen wir zwar von Groß- und Kleinschmetterlingen, häufiger noch von Tag- und Nachtfaltern, aber zoologisch bedeutsamer ist, wie die Tiere sich ernähren: Zum Beißen und Kauen besitzen ursprünglichere Arten Mundwerkzeuge und ernähren sich hauptsächlich von Pollen, während die allermeisten Schmetterlinge Saugrüssel haben, mit denen sie Pflanzensäfte und Nektar zu sich nehmen. Wichtige Unterscheidungsmöglichkeiten bietet außerdem die Form der Fühler: borstenförmig, fadenförmig, bewimpert, sägezähnig oder gefiedert.
Gemeinsam ist allen Schmetterlingen ein auffälliges äußeres Körpermerkmal: Sie besitzen zwei Paar Flügel, die meist dicht mit feinen Schuppen besetzt sind. Ausprägung und Anordnung der Adern, Zeichnung und Farbgebung der Flügel sind wichtige Bestimmungsmerkmale.
Der Körperbau der Schmetterlinge entspricht dem Grundbauplan aller übrigen Insekten: Der Körper ist in Kopf (Caput), Brust (Thorax) und Hinterleib (Abdomen) gegliedert, das äußere Skelett aus Chitinplatten schützt die inneren Organe. Die Augen sind – wie bei anderen Insekten auch – Facettenaugen, zusammengesetzt aus bis zu 6.000 kleinen Einzelaugen. Insbesondere die Farbempfindlichkeit unterscheidet sich von der des menschlichen Auges: Schmetterlinge erkennen keine roten Farben, reagieren aber auf UV-Licht. Vor allem Nachtfalter werden von UV-Lampen angelockt.
Die zarten Flügel entspringen an der Brust. Sie können wenige Millimeter bis – bei tropischen Faltern – etwa 30 Zentimeter groß sein. Die Fühler sind ein besonders wichtiges Organ der Schmetterlinge. Mit ihnen können die Tiere riechen, tasten, schmecken und Temperaturen wahrnehmen. Männchen finden so paarungsbereite Weibchen über Distanzen von vielen Hundert Metern, und Weibchen erkennen Futterpflanzen zur Ablage der befruchteten Eier. Manche Schmetterlingsarten orientieren sich sogar mit Hilfe ihrer Beine: Die Sinnesorgane zum Schmecken befinden sich bei ihnen an den Gliedern der Füße.
Der Hörsinn wiederum basiert auf einer dünnen Membran im hinteren Bereich des Thorax oder am Abdomen und lässt sich mit dem menschlichen Trommelfell vergleichen. Höher entwickelte Schmetterlinge wie Eulenfalter (Noctuidae) oder Bärenspinner (Arctiidae) können Ultraschalllaute empfangen, was für diese Nachtfalter überlebenswichtig ist: Ihre Hauptfeinde sind Fledermäuse, die Ultraschall zur Ortung nutzen. Hört ein Schmetterling einen solchen Ton, lässt er sich im Flug blitzschnell fallen, um der Erbeutung zu entgehen.
Die Flügel stellen den eigentlichen Bewegungsapparat der Schmetterlinge dar. Ihr Aufbau und ihre Funktionsweise sind kompliziert und äußerst filigran. Vorder- und Hinterflügel sind zwar einzeln aufgehängt, können aber bei manchen Arten im Flug miteinander verbunden werden. Ihre Festigkeit erlangen die Flügel durch einen merkwürdigen Mechanismus nach dem Schlüpfen der Tiere: Blutflüssigkeit strömt durch die Flügeladern, wodurch die Flügel aufgefaltet und gestrafft werden. Sobald die anfangs noch etwas feuchten Flügel getrocknet sind, werden sie steif, und die Flügeladern verlieren ihre Funktion. Die Ober- und Unterseite der Flügel sind mit Schuppen bedeckt: abgeflachte Haare, die dachziegelartig auf den Flügeln liegen und die Flügeladern verdecken. Die häufig auffällige Färbung der Flügel entsteht durch Pigmente, die in den Schuppen eingelagert sind, und durch spezielle Oberflächenstrukturen, die Lichtbrechungseffekte verursachen.
Vor allem die Flügel der Tagfalter weisen eine große Vielfalt an Formen, Farben und Musterungen auf. Besonders farbenprächtige und schnell fliegende Schmetterlinge gehören meist zur Familie der Edel- und Augenfalter (Nymphalidae), zum Beispiel Großer Schillerfalter (Apatura iris), Kleiner Fuchs (Aglais urticae) , Großer Fuchs (Nymphalis polychloros), Trauermantel (Nymphalis antiopa), Großer Perlmutterfalter (Argyn-nis aglaja), Kaisermantel (Argynnis pa-phia) und Admiral (Vanessa atalanta).
Im Verlauf der Entwicklung eines Schmetterlings ändert sich seine Gestalt mehrmals und grundlegend. Diese vollständige Metamorphose umfasst vier Entwicklungsstadien: Ei, Raupe, Puppe und Falter (Imago).
Nach Balz und Paarung, einem streng eingehaltenen Ritual, und der Befruchtung der weiblichen Eier werden die Eier auf jeweils geeignete Futterpflanzen abgelegt. Schmetterlingseier sind mit 0,5 bis 2 Millimetern zwar klein und unscheinbar, in Form und Struktur aber sehr vielfältig: kugelig, spindelförmig, flach oder zylindrisch, gerippt, eingedellt, behaart oder gezackt. Meist werden die Eier einzeln oder in kleinen Gruppen abgelegt – ein guter Schutz gegen Fressfeinde.
Nach ein bis drei Wochen schlüpfen die Raupen, und nun beginnt das große Fressen. Etliche Arten nehmen nur in diesem Entwicklungsstadium Nahrung auf. Die rasch wachsenden Raupen müssen sich mehrmals häuten, bis sie ihre endgültige Größe erreicht haben.
In dieser Zeit fallen die Tiere auf und werden rasch zur nahrhaften Beute für Vögel und andere Insektenfresser. Dagegen versuchen sie sich mit unterschiedlichen Strategien zu schützen: Manche Raupen sind in Form und Farbe so gut getarnt, dass sie von einem Blattstiel oder einem Rindenstück kaum zu unterscheiden sind. Andere besitzen Giftstoffe und zeigen das mit besonders auffälliger Warnfärbung an. Guten Schutz bietet auch die Gemeinschaft: So leben Raupen der Prozessionsspinner (Thaumetopoeinae) in großen Gespinsten und bewegen sich in langen Prozessionen zu ihren Nahrungsquellen Eiche oder Kiefer. Dem Raupenstadium folgt nach der letzten Häutung die Verpuppung und damit die vollständige Umwandlung zur Imago, dem fertigen Schmetterling.
Aufgrund der Tatsache, dass alle Körperanhänge wie Fühler oder Beine mit Kitt an den Körper geklebt werden, heißen die nahezu unbeweglichen Schmetterlingspuppen Mumienpuppen. Sie hängen an einem Gespinstfaden oder stecken in einem fest gesponnenen Gespinst aus Seide, dem Kokon. Gute Tarnung ist in dieser Zeit der Puppenruhe – meist zwei bis vier Wochen – unerlässlich. Deshalb sind die Puppen überwiegend grau oder graubraun gefärbt und ähneln trockenen, verschrumpelten Blättern.
Die Puppenruhe endet mit dem Platzen des Kokons. Das neue Tier zwängt sich nach außen und führt bereits nach wenigen Stunden ein Leben als Schmetterling.
Eine der wichtigsten Eigenschaften der Schmetterlinge ist ihre Fähigkeit, sich verschiedenen Umweltbedingungen anzupassen. Allerdings sind die Tiere meist eng an bestimmte Pflanzen gebunden, die wiederum nur in bestimmten Biotopen wachsen. Die Zerstörung solcher Lebensräume führt zwangsläufig zum Rückgang vieler Schmetterlingsarten.
Je nach Ernährungsweise von Raupe und Falter unterscheidet man zwischen standorttreuen Einbiotop-Bewohnern und Biotopkomplex-Bewohnern. Die Schmetterlingsarten der ersten Gruppe sind durch Umweltveränderungen in ihrem Bestand gefährdeter als die der zweiten Gruppe, die unterschiedliche Biotope bewohnen können und dort verschiedene Raupenfutterpflanzen nutzen können.
Die wichtigste Ursache für den Rückgang und die Gefährdung von Schmetterlingsarten ist also der Verlust geeigneter Lebensräume wie artenreiche Blumenwiesen, Feuchtgebiete, Buschwerk oder Mischwälder. Der zur Familie der Ritterfalter zählende Apollo (Parnassius apollo) ist eng an das Vorkommen der Weißen Fetthenne (Sedum album) gebunden, eine Pflanze, die nur auf kiesig-mageren, sonnigen Standorten gedeiht. Zwar steht der Schmetterling in ganz Mitteleuropa längst unter Artenschutz, verliert aber in unseren flurbereinigten Landschaften seine Lebensgrundlagen und ist vielerorts völlig verschwunden.
Speziell für Nachtfalter ist auch die zunehmende »Lichtverschmutzung« eine große Gefahr. Sie werden durch künstliche Lichtquellen angezogen und bleiben dort die ganze Nacht. Am nächsten Tag werden sie von Vögeln gefressen, sterben an Unterernährung oder Erschöpfung.
www.schmetterling-raupe.de
Umfangreiche Seite mit Bestimmungshilfen, biologischen und ökologischen Informationen zu mehr als 500 überwiegend heimischen Arten sowie Links zu den Schmetterlingsgärten in Mitteleuropa.
www.schmetterlinge-deutschlands.de
Auf diesen Seiten sind umfassende Informationen über alle in Deutschland heimischen Schmetterlinge abrufbar. Zu jeder Art sind Systematik, deutsche Namen, Flugzeit, Raupenzeit, Vorkommen, zum »Rote Liste«-Status der Bundesländer, zu Nummern der Arten aus verschiedenen Standardwerken und zu Synonyme der aktuellen Nomenklatur vorhanden.
www.nabu-schmetterlinge.de
Informationen aus der Bundesarbeitsgruppe (BAG) Schmetterlinge beim NABU. Ziel ist unter anderem der Erhalt der Biotope der rund 170 Tagfalterarten Deutschlands, der das Überleben von etwa 10.000 weiteren Insektenarten sichert.
www.leps.it
Auf dieser Seite lassen sich unzählige Motten- und Schmetterlingsarten aus Europa und Nord-Afrika bestaunen.
www.die-schmetterlinge-deutschlands.de
Mit diesen Seiten und den sehr schönen freigestellten Fotos wird ein einfaches und übersichtliches Werkzeug angeboten, das es erlaubt, die meisten einheimischen Schmetterlinge problemlos zu bestimmen.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 05-06/07 lesen.