Die Assel – gut versteckt und selten allein
Es gibt kaum einen Lebensraum, in dem nicht eine riesige Zahl kleiner und kleinster Tiere zu finden ist – und dennoch wissen wir über sie und ihr Leben nur sehr wenig. Nur selten kennen wir ihre Namen, und noch weniger wissen wir über ihre Rolle und Bedeutung in ökologischen Zusammenhängen. Viele Kinder interessieren sich aber für die Welt der Kleinlebewesen. Deshalb stellt Herbert Österreicher verschiedene und höchst bemerkenswerte Vertreter der wichtigsten zoologischen Gruppen vor. Die Serie begann in Heft 10/06.
Biologie und Ökologie
Die Asseln bilden innerhalb der riesigen Gruppe der Gliederfüßer (Arthropoda) eine eigene Ordnung (Isopoda), die sich von der überwiegenden Mehrzahl der Gliederfüßer durch ihre größere Beinzahl unterscheidet: Eine Assel hat immer sieben Beinpaare, während alle Insekten drei und die Tausendfüßer stets mehr als acht Beinpaare haben. Im zoologischen System wird die Assel zu den Krebstieren (Crustaceae) gezählt.
Es gibt Wasserasseln und Landasseln. Die meisten Arten leben wie der größte Teil ihrer Krebsverwandtschaft im Meer, einige im Süßwasser. Nur wenige Arten haben im Laufe ihrer Stammesgeschichte das Land »erobert«. In Mitteleuropa sind das rund 50 Arten.
Die Landasseln besitzen dafür eine Besonderheit: Sie können den für die Atmung notwendigen Sauerstoff sowohl über Kiemen als auch direkt aus der Luft über so genannte Tracheenlungen aufnehmen. Die Außenhaut der Tiere ist zwar wasserdurchlässig, aber »Tricks« ermöglichen es ihnen, zu starken Flüssigkeitsverlust zu vermeiden: Sie besitzen ein Wasserleitungssystem, bei dem der Urin aus Drüsen am Kopfende austritt, woraufhin die Flüssigkeit wieder zurückgeleitet und dabei über die gesamte Körperoberfläche verteilt wird, sobald das im Urin enthaltene Ammoniak entwichen ist. Das ermöglicht den Tieren den Aufenthalt in feuchten wie in trockeneren Milieus. Man kann sie als »Grenzgänger zwischen Wasser und Land« bezeichnen.
Meist finden wir die Landasseln in kühlen, feuchten und dunklen Ecken – je nach Feuchtigkeit entweder zusammen mit Schnecken, Würmern und Springschwänzen oder mit Ohrwürmern und kleinen Spinnen. Sie leben vorwiegend in der Laubstreu des Waldbodens, in der Nähe kleiner Tümpel und in den feuchten Fugen oder Spalten von Felswänden. Von da aus gelangen sie auch in unsere Häuser, werden mit Feldfrüchten aller Art eingeschleppt oder wandern selbst. Ihren neuen Lebensraum finden sie dann unter Kellertreppen oder feuchten Bodenbelägen, in den Ritzen alter, bröckeliger Mauern und zwischen allen möglichen Gerätschaften, die in Kellern oder Schuppen gelagert und selten benutzt werden. Deshalb wird die am meisten verbreitete Art auch als Kellerassel (Porcellio scaber) bezeichnet.
Um die Kellerassel – sie hat eine Körperlänge von etwa 11 bis 15 Millimetern – genau zu beobachten, brauchen wir eine Lupe. Damit erkennen wir nicht nur die sieben Brustringe, denen die Beine entspringen, sondern am Kopf auch das Fühlerpaar mit den zwei- oder dreigliedrigen Geißeln. Sie sind für die genaue Bestimmung besonders wichtig: Während die Kellerassel zweigliedrige Fühlergeißeln besitzt, hat die etwas größere und meist heller gefärbte Mauerassel (Oniscus asellus) dreigliedrige Geißeln.
Beide Arten kommen gelegentlich nebeneinander vor, wenn auch nicht allzu häufig, denn die Mauerassel mag es wärmer und feuchter als die Kellerassel.
Betrachtet man die Unterseite einer Landassel mit der Lupe, so werden einige weitere Kennzeichnen dieser Kleinlebewesen sichtbar: Der sehr kleine Kopf mit zwei Facettenaugen, Kiefern und Fühlerpaar ist mit dem ersten Brustring verwachsen (Cephalothorax). Auch der Hinterleib (Abdomen) mit seinen Geschlechtsorganen ist gegenüber den Brustringen ziemlich klein. Den größten Teil des Körpers nimmt die Brust mit den frei beweglichen Brustringen ein, denen die sieben Beinpaare entspringen (Peraeon).
Die meisten Asseln sind schwarz bis schiefergrau. Nur die Mauerassel kann auch schwach glänzend hellbraun gefärbt sein, und unter den Kellerasseln lassen sich manchmal ganz weiße oder weiß und schwarz gescheckte Tiere entdecken.
Ihre Nahrung finden die Asseln überall dort, wo sich organische Stoffe zersetzen, wo Früchte verrotten oder Gemüseabfälle, Schnittgut und Laub kompostiert werden. Mit ihren kräftigen Mundwerkzeugen können sie auch kaum zersetztes und frisches Pflanzenmaterial zerkleinern. Zudem nehmen die Tiere kleine Sandkörner und Bodenkrümel auf, die im Darm mit der Nahrung gründlich durchmischt werden. Dadurch trägt der Kot der Asseln zur Bodenverbesserung bei.
Zur Fortpflanzung paaren sich männliche und weibliche Tiere Bauch an Bauch – eine in der Tierwelt sehr seltene Haltung. Nach ungefähr 40 bis 50 Tagen schlüpfen die Jungtiere aus den befruchteten Eiern. Bei einer Kellerassel können das je nach Kondition, Größe und Alter des Weibchens bis zu 70 Nachkommen sein.
Wachsen können Asseln wie alle Krebstiere nur nach der Häutung, bei der das harte Außenskelett (Panzer) abgestoßen wird – ein Vorgang, der sich während ihres Lebens ständig wiederholt. Die Hülle wird übrigens nach der Häutung meist aufgefressen.
Eine Verwandte der Landasseln ist die Wasserassel (Asellus aquaticus), die in Bächen, Tümpeln und Seen zwischen Wasserpflanzen und unter Steinen lebt. Diese Asselart betreibt besonders ausgeprägte Brutpflege: Die Jungtiere besitzen beim Schlüpfen nur drei Beinpaare und werden vom Muttertier viele Wochen lang mitgetragen, bis sie beinahe die Größe eines erwachsenen Tieres haben und keinen Schutz mehr brauchen.
Die Wasserassel ist ein »Zeigertier«: Findet man in einem Bach oder Tümpel Wasserasseln, verweist das auf die Wasserqualität. Meist handelt es sich um ein Gewässer mittlerer Güteklasse: Das Wasser ist eher arm an Sauerstoff und reich an organischen Stoffen, sei es durch leichte (!) Verunreinigungen aus der Landwirtschaft oder geringen Wasseraustausch, wie das bei kleineren Tümpeln häufig der Fall ist.
Kulturgeschichte
Die Bezeichnung »Assel« geht auf das italienische asello zurück, das wiederum auf das lateinische asellus (kleiner Esel) zurückzuführen ist. Diese merkwürdige Verbindung von »Assel« und »Esel« hat mit einem viel älteren griechischen Wort zu tun, das verschiedene Tiere bezeichnete, die eines gemeinsam haben: ihre graue Färbung.
Besonders angesehen sind Asseln bis heute nicht. Sie werden mit Unrat und Schmutz in Verbindung gebracht, obwohl sie auf viele Arten menschlicher Verunreinigungen sehr empfindlich reagieren. Offenbar reicht ihre Vorliebe für dunkle, feuchte Ecken aus, dass Menschen ihnen mit Widerwillen oder Ablehnung begegnen.
Umweltbildung
Kinder sind von Asseln außerordentlich fasziniert, wenn sie beim Hochheben einer Bodenplatte oder eines älteren Holzstücks im Garten auf diese Tiere stoßen. Es weckt ihre Neugier, wenn sie beobachten, wie die Asseln plötzlich in Bewegung kommen und das nächste dunkle Versteck suchen.
Mit einem einfachen Experiment lässt sich dieses Verhalten untersuchen: Gibt man etliche Asseln in eine flache Kiste, die man zur Hälfte abgedeckt hat, verschwinden alle Tiere in kürzester Zeit unter der Abdeckung. Ihre Suche nach Dunkelheit ist so ausgeprägt, dass die Tiere auch auf die Färbung des Bodens reagieren: Ist der Boden der Kiste zur Hälfte hell (weiß) und zur anderen Hälfte dunkel (schwarz) gefärbt, laufen die Asseln auf die Seite mit dem dunklen Untergrund und kommen dort erst zur Ruhe. Mit unterschiedlich feuchten Materialien kann man den Versuch variieren und eine Hälfte der Kiste mit feuchtem, die andere mit trockenem Papier auskleiden.
Übrigens gab es einmal Tiere auf der Erde, mit denen unsere heutigen Asseln verblüffende Ähnlichkeiten haben: die Trilobiten. Zwar sind die letzten Vertreter dieser Tiergruppe schon vor etwa 250 Millionen Jahren ausgestorben, aber wenn wir ein gut erhaltenes Trilobiten-Fossil mit einer Assel vergleichen, scheint es, als würde es sich um Verwandte handeln. Der Grund für diese Ähnlichkeit liegt nicht zuletzt darin, dass die Trilobiten Vorläufer unserer heutigen Gliederfüßer waren. Sie trugen einen Rückenpanzer aus Calcit, der durch regelmäßige Häutungen erneuert werden musste, und hatten Facettenaugen, die wegen ihres Aufbaus und Leistungsvermögens zu den bemerkenswertesten Sehorganen in der Geschichte des Lebens zählen.
Für Kinder, die sich hinsichtlich der Erdgeschichte bisher vielleicht »nur« für Saurier interessierten, könnte die Erkundung der Trilobiten und ihrer Spuren ein spannendes Thema sein.
www.hypersoil.uni-muenster.de
Interessante »Assel-Werkstatt«. Eine Lern- und Arbeitsumgebung zum Themenfeld »Boden« im Unterricht, denn der Sachunterricht soll lebensweltliche und wissenschaftsbezogene Fragen stärker vernetzen und nicht nur methodisch, sondern auch inhaltlich anspruchsvoll sein. Durchklicken über > Boden-Werkstatt
> Assel-Werkstatt.
www.tierwissen.de
Umfangreiche Seite mit viel Wissenswertem über die verschiedensten Tierarten und schönen großen Fotos.
www.umweltbildung.de
Die ANU-Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltbildung e.V. ist der Verband der Umweltzentren in Deutschland und der Einzelpersonen, die sich mit Umweltbildung beschäftigen. Dort findet sich auch eine Materialiendatenbank für Umweltbildung im Kindergarten. Durchklicken über > Materialien > Materialiendatenbank.
www.kidlex.de
Die Info-Plattform von KidLex.de regt innovative Schulprojekte und Best-Practice-Beispiele an, will Lösungsansätze aufzeigen und zum kreativen Umgang mit Zukunftsfähigkeit in Schule und Alltag von Jugendlichen anregen.
www.zzzebra.de
Auch das Web-Magazin für Kinder bietet viel Praktisches zum Thema an. Auf > Suchen klicken und im Inhaltsverzeichnis »In der Natur« auswählen.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 12/06 lesen.