Die Fliege – ungeliebt und lästig
Es gibt kaum einen Lebensraum, in dem nicht eine riesige Zahl kleiner und kleinster Tiere zu finden ist – und dennoch wissen wir über sie und ihr Leben nur sehr wenig. Nur selten kennen wir ihre Namen, und noch weniger wissen wir über ihre Rolle und Bedeutung in ökologischen Zusammenhängen. Viele Kinder interessieren sich aber für die Welt der Kleinlebewesen. Deshalb stellt Herbert Österreicher verschiedene und höchst bemerkenswerte Vertreter der wichtigsten zoologischen Gruppen vor. Die Serie begann in Heft 10/06.
Biologie und Ökologie
Die Fliege, ein Insekt aus der Ordnung der Zweiflügler (Diptera), ist nur auf den ersten Blick ein allgemein bekanntes Tier. Beim genaueren Hinsehen zeigt sich, dass wir es mit zahlreichen verschiedenen Arten zu tun haben, die häufig schwer zu bestimmen sind.
Zweiflügler finden sich beinahe überall und zählen damit zu den wichtigsten Insekten. Allein in Mitteleuropa gibt es 90 Familien mit Tausenden verschiedener Arten.
Neben etlichen Familien, die der Unterordnung der Mücken zugerechnet werden, gehören die meisten Zweiflügler zu den Fliegen. Während die Unterschiede zwischen den Familien ausgeprägt und gut erkennbar sind, lassen sich die Arten innerhalb einer bestimmten Familie nur mit viel Aufwand und Spezialliteratur bestimmen. Deshalb kann man zufrieden sein, wenn man herausfindet, zu welcher Familie eine bestimmte Fliege gehört: zu den Bremsen, Schwebfliegen, Aasfliegen, Raubfliegen, Schmeißfliegen, Augenfliegen, Schlammfliegen, Fruchtfliegen, Echte Fliegen...
Alle Zweiflügler gleichen einander in Körper- und Flügelbau. Der Körper ist in drei Teile gegliedert: der Kopf mit Augen, Fühlern und Mundwerkzeugen, die Brust mit drei Paar Beinen und einem Flügelpaar, der Hinterleib mit den Verdauungs- und Geschlechtsorganen. Bei den Echten Fliegen und anderen, etwas größeren Arten lässt sich das gut erkennen. Aber es gibt auch Zweiflügler wie die Gallmücken, die nur einige Zehntelmillimeter groß werden.
Was klein ist, kann trotzdem von großer Bedeutung sein: Die Schwarzbäuchige Taufliege (Drosophila melanogaster) ist zwar nur 2,5 Millimeter groß, aber sie ist zweifellos eines der am besten untersuchten Tiere weltweit und dient übrigens auch zur Fütterung von Fischen. Berühmt wurde diese Art durch die Erforschung von Vererbungsmechanismen, da sich Taufliegen in Flaschen leicht züchten lassen und die Generationenfolge mit etwa 14 Tagen kurz ist. »Eine halbe Milchtüte mit einem Stück verfaulender Banane genügte, um zweihundert Fruchtfliegen vierzehn Tagen lang bei Laune zu halten«, schreibt Martin Brookes in seinem 2002 erschienenen Buch über dieses Tier. Man konnte eine große Zahl von Kreuzungsversuchen durchführen, und bei der Untersuchung des Erbguts entdeckte man schließlich, dass etwa 70 Prozent der menschlichen Gene, die im Zusammenhang mit Krebs beschrieben wurden und im Verdacht stehen, in mutiertem Zustand an der Krebsentstehung beteiligt zu sein, auch im Erbgut der Taufliege vorkommen.
Zweiflügler haben so genannte Facettenaugen, die oft besonders gut ausgebildet sind. Vor allem Fliegen haben häufig große und manchmal auch farbige Augen.
Das Facetten- oder Komplexauge ist bei vielen Insekten zu finden. Es besteht aus mehreren – bei Libellen sogar bis zu einigen zehntausend – Einzelaugen, die ihrer meist halbkugelförmigen Anordnung wegen ein äußerst großes Blickfeld ermöglichen. Besonders auffällig sind sie bei den Augenfliegen (Pipunculidae), wenige Millimeter große Tiere, deren Augen fast den gesamten halbkugeligen bis kugeligen Kopf einnehmen.
Mit dem Aufbau der Augen lässt sich die Reaktionsfähigkeit der Tiere erklären: Jedes Einzelauge kann in eine geringfügig andere Richtung blicken, und das Insekt kann sich ein Bild seiner Umgebung aus einzelnen Bildpunkten zusammensetzen. Wollen wir eine Fliege fangen, sieht das Tier die Hand schon lange vor dem Zugriff – einerlei, aus welcher Richtung er kommt. Das ist für die Fliege im täglichen Überlebenskampf ein unschätzbarer Vorteil.
Die Raubfliegen (Asilidae) lauern anderen Insekten an Waldrändern, auf Büschen und Pfählen, Baumstämmen und Steinen auf und stürzen sich von dort aus auf sie. Eine Raubfliege kann bis zu 3 Zentimeter groß werden und erbeutet nicht selten Insekten, die ebenso groß sind. Ihre bedornten Beine halten das Opfer fest, während sie es aussaugt.
Unter den Mücken gibt es etliche Arten, die auch Jagd auf uns Menschen machen. Es handelt sich dabei um Vertreter der Familie der Stechmücken (Culicidae). Vor den Schnaken (Tipulidae) müssen wir aber keine Angst haben. Die langbeinige Schnake ist ein Blütenbesucher. Wir erkennen sie an ihrem ziemlich schwerfälligen Flug.
Fliegen und Mücken entwickeln sich in der so genannten vollständigen Verwandlung oder Metamorphose aus Eiern, die von den Weibchen ins Erdreich, auf die Wasseroberfläche, auf verwesende organische Stoffe oder auf Wunden abgelegt werden. Die sich daraus bildenden Larven sind meist tönnchenförmig oder langgestreckt, beinlos und weichhäutig. Die Verpuppung beschließt das Larvenstadium. Aus der harten Puppe schlüpft nach Tagen oder Wochen das fertige Insekt, die Imago.
Die Larvenzeit ist bei vielen Arten von großer ökologischer Bedeutung. So spielen die Larven der nicht stechenden Trauermücken (Sciaridae) bei der Zersetzung von Laub und Totholz eine wichtige Rolle. Die Trauermücken, von denen es allein in Deutschland Hunderte verschiedener Arten gibt, gehören zu den häufigsten und gleichzeitig unbekanntesten Mücken. Sie sind selten größer als 5 Millimeter, dunkel gefärbt – daher der Name – und halten sich meist in Laub und Pflanzen auf. Sie werden zur Beute zahlreicher räuberischer Insekten und Vögel. Gärtner bezeichnen diese kleinen Zweiflügler als »Lästlinge«, weil sich manche Arten in Gewächshäusern unangenehm stark vermehren können.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 11/06 lesen.