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Pflanzengallen – eine Symbiose von Pflanze und Tier
Es ist eine spannende und lohnende Aufgabe zugleich, Kinder mit natur-wissenschaftlichen Themen bekannt zu machen. In einer Reihe von Beiträgen stellt Herbert Österreicher dazu Themen vor, die innerhalb der betreffenden MINT-Disziplin von Bedeutung sind, sich aber auch besonders gut eignen, mit konkreten Beispielen das Interesse von Kindern auf die Sachverhalte zu lenken und sie zu eigenen, weiteren Aktivitäten anzuregen.
Wachstum wider der Erwartung
Ein aufmerksamer Blick auf Blätter und Zweige von Pflanzen bleibt nicht selten an seltsamen Formänderungen hängen, die so gar nicht zum übrigen Aussehen der betreffenden Pflanze zu passen scheinen. Es handelt sich um Pflanzengallen. Rasch denkt man da an Krankheit und Missbildung, doch so einfach ist die Sache nicht. Diese Gallen oder Cecidien sind das Ergebnis eines komplizierten Zusammenspiels von mindestens zwei unterschiedlichen Organismen, einer bestimmten Pflanzenart und einem zweiten Lebewesen, bei dem es sich um ein Tier, einen Pilz oder einen bestimmten Mikroorganismus handelt. Obwohl die Entstehung einer Galle und ihrer Grundform von den beteiligten Lebewesen abhängt, kann das Ergebnis vor allem bei der Beteiligung von Insekten so unterschiedlich ausfallen, dass man kaum glauben kann, welche Vielfalt an Gallen an einer bestimmten Pflanze durch ein und denselben Erreger verursacht werden kann.
Häufig sind Hormone, so genannte Cytokinine, der Auslöser zur Gallenbildung. Sie bewirken unter anderem Änderungen im Zellwachstum, wobei Wechselwirkungen mit anderen Substanzen und Umweltfaktoren stattfinden.
Die Erforschung dieser Lebensformen begann zwar schon gegen Ende des 17. Jahrhunderts, aber noch immer steht dieses wenig bekanntes Spezialgebiet der Biologie vor zahlreichen offenen Fragen. So ist etwa noch unentschieden, ob es sich bei einer Gallenbildung um eine Form des Parasitismus handelt, oder ob nicht vielmehr beide Organismen von dieser besonderen Entwicklung profitieren. Jedenfalls scheinen die Pflanzen in den meisten Fällen unter dem Einfluss der Gallenverursacher nicht zu leiden.
Das Experiment
Die Suche nach Pflanzengallen erfordert zwar ein wenig Geduld und auch Glück, ist aber auch eine spannende Angelegenheit. Am besten startet man die Suche ab etwa Juli, wenn die Gallen bereits etwas gewachsen sind und sich leichter entdecken lassen. In jedem Fall braucht es den Blick auf Details des Pflanzenwuchses, besonders auf die Unterseite der Blätter. Dabei hilft es, wenn Sie den Kindern vorher Abbildungen verschiedener Gallen zeigen: Wenn man weiß, was man sucht, fällt das Finden leichter ...
Hat man Pflanzengallen entdeckt, schneidet man die jeweiligen Zweige ab und stellt sie dann in große Gläser, deren Öffnungen mit feiner Gaze verschlossen werden. Keinesfalls Wasser in das Behältnis gießen, denn dann besteht die Gefahr der Schimmelbildung.
Nun heißt es warten. Je nach Art und Entwicklung der Gallen kann es durchaus ein paar Wochen dauern, bis sich der nächste Entwicklungsschritt vollzieht und aus den trocken gewordenen Gallen plötzlich kleine Tiere schlüpfen und in dem Behältnis herumschwirren.
(Selbstverständlich sollten sie nach der Beobachtung ins Freie entlassen werden.)
Das macht Kinder neugierig und aktiv
- Warum wachsen die Blätter (oder Triebe) so merkwürdig?
- Wie viele Tiere sind in einer Galle? (Achtung: Das ist je nach Gallenart sehr unterschiedlich.)
- Wie viele verschiedene Gallenformen lassen sich entdecken?
- Auf welchen Pflanzen (Bäumen) finden wir die meisten Gallen?
- Wie groß können Gallen werden? (Antwort: Der von einem Pilz verursachte Obstbaumkrebs bewirkt die größten Gallen. Seine manchmal riesigen Wucherungen treten vor allem an Linden auf.)
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Wie lange dauert es, bis aus einer Galle die ersten Tiere schlüpfen?
Herbert Österreicher ist Diplom-Ingenieur und Magister artium. Er plant und gestaltet Außenanlagen und Gärten von Kindereinrichtungen. Darüber hinaus führt er Seminare und Exkursionen zu verschiedenen Bereichen der Umweltbildung durch und ist als Autor für Fachzeitschriften und Verlage tätig.
Weitere Informationen finden Sie unter: www.kinderfreiland.de
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 08-09/17 lesen.