Achim Kniefel besucht eine Podiumsdiskussion
Es ist später Freitagnachmittag. Überall in Deutschland sind Erzieherinnen dabei, den Sanitärtrakt grob durchzuwischen – assistiert von Kevin und Chantal, die wie immer zu spät abgeholt werden – oder sitzen im karg dekorierten Pausenraum und tragen Beobachtungen aus der abgelaufenen Woche in den entsprechenden Bögen nach, zum Beispiel: Was waren die entscheidenden Motive von Willi bei der Wasserbombenschlacht am Mittwoch – bezogen auf die vier Grundmotivationen »Anerkennung und Wohlbefinden erfahren«, »Die Welt entdecken und verstehen«, »Sich ausdrücken«, »Mit anderen leben«?
Unter anderen deutschen Dächern versammeln sich derweil Menschen, die sich dem Thema »Bildung« Tag für Tag mit weiten, weisen Blicken widmen. Es sind die Vordenker und Gestalter unserer Bildungswelt, die bei Tagungsgetränken und Keksen über die Themen »Bildung der Zukunft« und »Zukunft der Bildung« diskutieren, Meinungen austauschen und Flipchartpapier füllen. Momentan findet die abschließende Podiumsdiskussion statt. 200 Gäste aus der Fachwelt lauschen dem Gespräch geduldig. Danach soll es ein Buffet mit mediterranen Köstlichkeiten inklusive Kulturprogramm geben.
Achim Kniefel ist vor Ort und hört zu.
Der Große Vorsitzende (stolz): … und deshalb freut es mich, dass wir die bekannte TV-Journalistin Sabine Sausel als Moderatorin gewinnen konnten, die schon aus privaten Gründen an Bildungsfragen interessiert ist: Frau Sausel ist vierfache Mutter (anerkennender Applaus des Publikums), und da hat man in Punkto Bildung wohl alles durch, oder? Ich übergebe das Wort Sabine Sausel (freundlicher Applaus des Publikums)…
Moderatorin: Vielen Dank (Publikum applaudiert dankbar). Ich möchte gleich mit der Vorstellung unserer Gäste beginnen. Neben mit sitzen die Herren Professor Glauber vom einzigen Lehrstuhl für Elementarpädagogik an der Rudi-Müller-Universität Holzach (Publikum applaudiert eifrig) und Professor Dr. Meckerli von der Universität Ettnang-Pudlingen (Publikum applaudiert artig), die durchaus kontroverse Positionen zum Thema »Frühkindliche Bildung« vertreten. Frau Müller ist Leiterin in einem Kindergarten und vertritt die Praxis (Publikum applaudiert höflich). Neben ihr sitzt Fiorella Freifrau von Franken, die einen gemeinsam mit ihrem Gatten gegründeten Kindergarten- und Schul-Konzern erfolgreich managt (Publikum applaudiert begeistert).
Lassen Sie mich die erste Frage an die Vertreterin der Praxis stellen: Frau Müller, ist der deutsche Kindergarten zukunftsfähig (Publikum applaudiert versehentlich)? Oder müsste sich etwas ändern, damit er es wird (Publikum applaudiert entschuldigend)?
Frau Müller (besinnt sich kurz): Ich wüsste schon einiges, das verbessert werden könnte. Zum Beispiel der viel zu knappe Personal…
Prof. Glauber (ungeduldig): Wenn ich Ihnen hier unterstützend zur Seite stehen darf, verehrte Frau Maier – tatsächlich leidet die deutsche Kinderbetreuung unter nichts mehr als der unzureichenden institutionellen Verankerung, die zum Teil sicherlich historisch der differenziert zu betrachtenden Gemengelage in den ehemaligen beiden deutschen Teilstaaten geschuldet ist, aber auch strukturelle…