Vor meinen Kindergeburtstagen war ich sehr beschäftigt. Einladungskarten malen oder schreiben und sie den Freundinnen überreichen – das war meine Aufgabe. Wen sollte ich einladen? Was sollte ich mir wünschen?
Ich habe im Frühjahr Geburtstag, wenn die Schneeglöckchen blühen. Zwar war unsere Wohnung klein, aber wir feierten meine Geburtstage meist zu Hause. Sechs Kinder durfte ich einladen; mehr Freundinnen hatte ich auch gar nicht.
Ich gestehe, dass ich selbst Mädchen einlud, vor denen ich großen Respekt hatte. Manche machten mir sogar ein bisschen Angst. Aber wenn man sie nicht einlud, redeten sie böse, und man hatte schlechte Zeiten. Außerdem waren sie diejenigen, die Süßigkeiten oder andere Leckerein im Überfluss hatten und mich damit köderten. Mein mageres Taschengeld reichte gerade für einen Triesellutscher oder eine Leckmuschel.
Alle luden wir diese schreckliche Gabi ein. Sie war mächtig, wuchtig und hinterhältig. Eine Bestimmerin. Auch ich schrieb oder malte ihr eine Einladungskarte.
Diese Spannung vorher, diese Ungeduld, dieses Wartenmüssen waren aufregend und schön. Die Vorfreude kribbelte im Bauch, sie schmeckte festlich und roch süß. Meine Eltern begannen, heimlich zu werden, und ich durfte die Teigschüssel vom Geburtstagskuchen auslecken. Das erste Päckchen von Tante Hanni war schon angekommen.
Ich erinnere mich genau an die Stimmung am Geburtstagsmorgen. Natürlich war ich zeitig wach. Es roch nach abgebrannten Streichhölzern – die Geburtstagskerzen auf dem Kuchen wurden angezündet. Noch durfte ich das Zimmer nicht betreten. Es war ein bisschen wie Weihnachten – auch so eine verlässliche Zeremonie. Vielleicht war es das, was sich so wohlig im Bauch anfühlte. Meine Mutter hatte Frankfurter Kranz für mich gebacken. Er sah so wunderbar festlich aus und gelang ihr immer.
Als meine eigenen Kinder Geburtstag feierten, wollte ich die Tradition meiner Mutter übernehmen. Aber mir glückte der Kuchen nie. Entweder verrutschten die Cremeschichten, der Creme wurde krisselig, oder der Krokant blieb nicht dort, wo er hingehörte. Nie sah der Frankfurter Kranz so aus wie früher bei meiner Mutter.
Die Torte, meine Jahreszahlkerzen, das Lebenslicht – ich blies es mit unwohlem Gefühl aus –, die Schneeglöckchen in der Vase, das weiße Tischtuch, bestreut mit vielen bunten Liebesperlen, und die eingepackten Geschenke waren der Inbegriff von Glückseligkeit. Ich fühlte mich nicht nur ein Jahr älter, sondern auch ein Stück größer. Im neuen Geburtstagskleid erwartete ich die Gäste. Wenn sie mich hochleben ließen, war mir das allerdings peinlich.
Zuerst saßen alle Gäste um den gedeckten Tisch, und die Torte wurde angeschnitten. Da es damals nicht viele Süßigkeiten zum Naschen gab, genossen wir Kinder diese Leckerei besonders. Danach konnten die beliebten Spiele beginnen. Auf jedem Geburtstag aller Freundinnen wiederholten sie sich und wurden nie langweilig: Die Reise nach Jerusalem, Hänschen piep einmal, Armer schwarzer Kater, Topfschlagen, Mehlschneiden, Häppchenwürfeln, Büchsenwerfen, Stühleriechen, Flaschendrehen, Blinde Kuh, Teekesselchenraten, Stille Post, Alle Vögel fliegen hoch, Zublinzeln, Plumpsack, Mein rechter Platz ist leer und Kommando Pimperle. Die Reise nach Jerusalem mochte ich nicht besonders, weil Gabi immer drängelte, schubste, kreischte und die anderen Mädchen anstachelte, das auch zu tun.
Manchmal spielten meine Eltern für uns Kasperletheater. Die Figuren stellten sie selbst her. Ich besitze sie noch heute und warte auf den Tag, an dem ich meinen Enkeln etwas damit vorspielen kann. Wenn mein Vater bei Kartoffelsalat und Würstchen schließlich Gespenstergeschichten erzählte, war das der gruselig-krönende Abschluss des schönsten Tages im Jahr.
An die Geschenke kann ich mich nicht mehr erinnern.
Wenn meine Enkel erzählen, dass sie zu Geburtstagen auf einen Indoor-Spielplatz eingeladen werden, dass eine Party für 20 Kinder organisiert wird, dass Zauberer auftreten, Discomusik erklingt oder eine Karaoke-Show geboten wird, dass Theater- und Kinovorführungen stattfinden und dass Eltern, denen selbst nichts Besonderes einfällt, eine Event-Agentur bemühen – dann wundere ich mich nur.
Dagmar Arzenbacher
www.zzzebra.de
Das in diesem Jahr mit dem Grimme-Online-Award ausgezeichnete Web-Magazin für Kinder enthält viele praktische und gute Informationen für den Kinder-Geburtstag – von der Vorbereitung über Kennenlernspiele und unzählige andere Spielideen bis hin zum Geburtstagskuchen ist alles dabei. Durchklicken über > Suchen
> Festlich, festlich > Geburtstag.
www.wissen.de
Eine interessante Frage: Was geschah in der Welt an dem Tag, an dem ich geboren wurde? Die Antwort gibt es bei wissen.de. Durchklicken über
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www.was-war-wann.de
Etwas mühsamer zu recherchieren, da es keine gute Suchfunktion gibt, dafür mit mehr Informationen, zum Beispiel auch zur Mode, Musik und Filmen des Geburtsjahres.
www.newseum.org
Ein Geheimtipp für Eltern, die jetzt Nachwuchs erwarten: Unter > Today’s Front Pages (rechte Seite) besteht die Möglichkeit, knapp 800 (!) Titelseiten von Tageszeitungen aus über 70 Ländern – tagesaktuell – anzusehen oder als PDF zu downloaden. Tipp: In einer Datei speichern und bis zum 18. Geburtstag des Sprösslings aufbewahren.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 09/09 lesen.