In Heft 10-11/05 beschrieb die Erzieherin Brigitte Rametsteiner, wie sich die Kinder ihrer Gruppe mit dem Thema »Papier« beschäftigten. In Heft 12/05 ging es um »Die weiße Kunst«, und diesmal stehen Materialerfahrungen mit Karton und Pappe auf dem Programm.
Das Materialangebot war vorhanden und stand den Kindern zur Verfügung. Es kostete mich Überwindung, ihnen keine Vorschläge zu unterbreiten, sondern zu warten, was die Kinder daraus machen würden. Die großen Karton-Platten inspirierten sie: »Wir wollen ›Frau Holle‹ spielen und brauchen ein Haus…« Früher hätte ich das Haus mit den Kindern gebaut. Nun »stellte ich mich hinten an« und wartete ab...
Durch den Transport waren die Kartonplatten in der Mitte geknickt und die Wände – zwei Mal ein rechter Winkel – quasi vorgegeben. Aber die Kinder unternahmen verschiedene Versuche, sie aufzustellen: Frei und ohne Fixierung, ohne Dach, mit Flachdach, mit Spitzdach, das leicht einzustürzen drohte und nach einer haltbareren Lösung verlangte. Immer wieder wurde umgebaut, kam etwas dazu, entstand eine neue Idee. Drei Monate lang waren die Aktivitäten rund um den Hausbau fester Bestandteil unseres Gruppengeschehens.
Turbulenzen aus der Schachtel
»Eine Welt von Pappe« sah ich im ober-österreichischen Städtchen Schwertberg, in einer Karton- und Pappefabrik, als ich bei einer Betriebsführung miterlebte, wie aus Altpapier Ringmappen werden. Für meine Gruppe durfte ich das Auto mit Material beladen, darunter auch eine Schachtel voller kleiner, runder Kartonplättchen. Sie wurde zuerst von allen Seiten begutachtet, angehoben, und die Kinder stellten fest, dass sie schwer ist und etwas Bewegliches enthält. Aber sie war zugeklebt. »Dürfen wir sie aufmachen?«
Zdravko freute sich über die Kartonplättchen: »Die sind aber schön! Woher hast du sie? Ah, ich weiß schon, aus der Fabrik, von der du erzählt hast...«
Es dauerte gar nicht lange, und alle Plättchen flogen durch den Raum. Turbulenzen, Bewegung, Freude, Elan, Begeisterung, Unfug, Spaß – alles auf einmal. Dann erwachte das Interesse am Material. Lupen kamen zum Einsatz. Es wurde zerlegt und untersucht.
Unterschiedlichste Beschäftigungsmöglichkeiten taten sich auf: verschiedene Legevarianten, Schachteldekor, Faschingsdekorationen für Tisch und Raum, Bilder, Knöpfe, Fädelarbeiten, Zahlen- und Rechenspiele, Wiegen, Schätzen, Messen, Sortieren... Karton – ein Material, das alle Sinne anspricht und die Fantasie blühen lässt.
Karton hinterlässt Spuren
Eine Autoladung voll Kartonplatten und -streifen, Wellpappe in Platten und Rollen hatte uns die Firma Smurfit aus Nettingsdorf zur Verfügung gestellt. Noch ein Material, das es zu erforschen galt: Farbspielereien, gestalten, verändern, neue Erkenntnisse erlangen, parallele Linien und Materialbesonderheiten entdecken.
Zdravko: »Schaut, her, da ist ein Unterschied! Karton ist hart und Wellpappe weich.«
Mario: »Das weiß ich schon lange, ich hab’s ja untersucht.«
Zdravko: »Aber ich hab’s als erster gesagt!«
Mario: »Und ich hab’s mir gedacht!«
Zdravko: »Schau, da gibt es dickere und dünnere Wellpappe.«
Mario: »Da ist auf einer Seite glattes und auf der anderen Seite gewelltes Papier. Das ist sehr stabil...«
Zdravko: »...und kräftig!«
Die Kinder stellten fest, dass man die Pappe nur schwer schneiden kann, eine große Schere und viel Kraft dazu braucht. Deshalb erboten sich die Älteren, den Jüngeren diese Arbeit abzunehmen. Die ließen das erst zu, nachdem sie selbst ausprobiert hatten, wie schwer es ist, Kämme aus Karton zu schneiden, mit denen die Kinder malen wollten.
Lisa: »Da malt man nicht, da schiebt man die Farbe weg.«
Mario: »Man kann mehrere Striche gleichzeitig machen.«
Lisa: »Ja, da kann man leicht ein Gitter machen.«
Zdravko: »Oh, die Zacken biegen sich um! Schau, kleine Zacken machen dünne Linien.«
Mario: »Und wenn man Kritzi-Kratzi macht, schaut’s aus wie Spaghetti.«
Brigitte Rametsteiner, ausgebildete Kindergärtnerin und Horterzieherin, arbeitet in einem Kindergarten in Linz, Österreich, und ist seit 1999 »in kleinen Schritten unterwegs in Richtung Reggio, weil ich nie aufgehört habe, neugierig zu sein, und weil ich in der Reggio-Pädagogik das Gegenteil von Unzufriedenheit – als Summe widriger Umstände – gefunden habe. Egal, wie alt man ist: Lieber auf neuen Wegen stolpern als in ausgetretenen Bahnen auf der Stelle treten«.
Kontakt
Kindergarten der Stadt Linz
Reischkestr. 10 · A-4020 Linz
Email:
www.papier-live.de
»Papier live« ist das erste Museums-TV in Europa. Einmal wöchentlich erleben Besucher im Deutschen Museum durch Live-Bilder und Videosequenzen, die von Moderatoren vor Ort live kommentiert werden, die moderne Produktion von Papier und Karton.
www.zzzebra.de
Im Web-Magazin für Kinder finden sich viele Tipps zum Basteln mit Pappe und Karton. Durchklicken über > Inhaltsverzeichnis > Gestalten > Basteln.
www.tetrapak.de
Kunst entsteht auch durch Recycling von Getränkekartons. Schon in der Vergangenheit haben sich Künstler mit Kartonverpackungen auseinander gesetzt. Mit verblüffenden Ergeb-nissen. Ihre Arbeiten können hier besichtigt werden. Durchklicken über > Magazin > Kunstförderpreis.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 01-02/06 lesen.